Italien will nicht enden wie Athen

Premier Renzi kündigt an, die EU-Ratspräsidentschaft seines Landes für Reformen zu nutzen

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 3 Min.
Italien hat seit Dienstag die EU-Ratspräsidentschaft inne. Nach Griechenland ist es das zweite Krisenland, das jetzt für die Europapolitik verantwortlich zeichnet.

Besser hätte es für Matteo Renzi eigentlich nicht laufen können. Erst der Erfolg bei der Europawahl, die seine Demokratische Partei (PD) mit fast 41 Prozent der Stimmen bestritt. Nun folgt die EU-Ratspräsidentschaft. Sechs Monate lang hat der 39-jährige Regierungschef Italiens die Möglichkeit, auf der europäischen Bühne seine Themen in den Vordergrund zu bringen. Ob das auch reale Vorteile schafft, bleibt abzuwarten. Medienwirksam ist es in jedem Fall.

Um zwei Themenkomplexe geht es der italienischen Regierung in erster Linie: Wachstum und Migration. Renzi unterstreicht immer wieder, dass sich die Europapolitik in den letzten Jahren allein auf die wirtschaftliche Stabilität konzentriert hat, Wachstum aber de facto ausgeklammert wurde. »Stabilität ist ohne Wachstum nicht möglich«, erklärte er vorige Woche bei seiner europapolitischen Rede im Parlament. »Und ohne Wachstum herrscht Stillstand.« Renzi drängt darauf - dabei hat er die südeuropäischen EU-Länder und Frankreich auf seiner Seite -, den Stabilitätspakt, der eigentlich Stabilitäts- und Wachstumspakt heißt, flexibler zu gestalten.

So sollen Investitionen, die der Schaffung neuer Arbeitsplätze dienen, von den strengen Kriterien ausgenommen werden oder zumindest weniger stark ins Gewicht fallen. Denn die Arbeitslosigkeit und vor allem die Jugendarbeitslosigkeit ist das größte und dramatischste Problem, das Italien und die Krisenländer zurzeit haben. Wenn praktisch nur jeder zweite junge Südeuropäer eine Beschäftigung hat, wirkt sich das auch negativ auf die Stabilität aus - auf die wirtschaftliche, da so die Kaufkraft und die Importbereitschaft in den ärmeren EU-Ländern noch weiter sinken, und auch auf die politische, da soziale Unruhen drohen. Der wachsende Unmut schlug sich nicht zuletzt in den Wahlerfolgen der Ultrarechten und EU-Skeptiker nieder.

Italien ist da eine große Ausnahme: Hier hat die populistische Anti-Euro-Bewegung »Fünf Sterne« (M5S) bei der Wahl Ende Mai an Stimmen verloren, während die gemäßigt linke und sozialdemokratische Partei von Renzi einen Sprung nach vorn um 15 Prozentpunkte gemacht hat. Der Ministerpräsident kann jetzt darauf setzen, dass auch die starken EU-Länder wie Deutschland ihn als Hoffnungsträger für Europa sehen.

Das zweite große Thema für Italien ist die Migrations- und Flüchtlingspolitik der EU. Die Regierung betont immer wieder, dass die Flüchtlinge keine nationale, sondern eine europäische Angelegenheit seien. In den ersten Monaten dieses Jahres sind über 55 000 Menschen in Italien angekommen. Mit dem militärischen Hilfsprogramm »Mare Nostrum« von Marine und Küstenwache werden die maroden Boote kurz hinter der nordafrikanischen Küste abgefangen und so sicherlich Tausenden das Leben gerettet. Italien schafft es aber nicht, all diese Menschen würdig unterzubringen. So häufen sich die Rufe nach humanitären Korridoren, die auch für eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge in der EU sorgen sollen.

Auch in den noch offenen Personalfragen in den EU-Institutionen stellt Renzi Ansprüche. Er hielt sich zwar aus dem Gerangel um die Nachfolge von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso heraus und erklärte immer wieder, dass für ihn die Programme zählen. Er will jedoch seine Außenministerin Federica Mogherini auf den Posten der EU-Außenbeauftragten bringen.

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