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Nachhilfe, die sich rechnet

Bildungsrauschen

  • Lena Tietgen
  • Lesedauer: 3 Min.

Seit drei Jahren steckt die Hansestadt Hamburg jährlich elf Millionen Euro in ein Förderprogramm, durch das die Schulen der Stadt kostenlose Nachhilfe anbieten können. Für die Schüler, die eine Fünf in den Kernfächern haben, ist diese verpflichtend. Nun liegt auf hamburg.de/bsb der erste Zwischenbericht vor. Demnach boten »im ersten Schulhalbjahr 2013/14 von den 327 Schulen 197 auch eine freiwillige und präventive Teilnahme« an. Insgesamt profitierten »rund 13 Prozent aller Schüler« davon. Neben der fachlichen Qualifizierung, die »88 Prozent« ausmachten, fielen 12 Prozent der Förderung auf »Hausaufgabenhilfe, Konzentration, Arbeits- und Selbstorganisation, Coaching, Lernmotivation, Methodentraining und Merkfähigkeitstraining«. Pro Gruppe würden drei bis vier Schüler gefördert. Lehrkräfte der Schule stellten dabei mit 35 Prozent den Hauptanteil, der Rest des pädagogischen Personals besteht aus »sozialpädagogischen Fachkräften (4 Prozent), Mitarbeitern von Nachhilfeeinrichtungen (11 Prozent) oder Honorarkräften (50 Prozent) wie beispielsweise freiberuflich arbeitende Erzieher, Sozialpädagogen, Studenten, Referendariatsanwärter oder pensionierten Lehrkräften«.

Bildungssenator Ties Rabe zeigte sich zufrieden, konnten doch »47,3 Prozent ihre Defizite abbauen« und »256 Sechsklässler an Gymnasien bleiben«. Allerdings mussten »800 Sechsklässler auf die Stadtteilschule« wechseln. Rabes Zahlenakrobatik verschleiert das Defizitäre des Konzepts. Es muss einen nachdenklich stimmen, dass die Hälfte der Förderlehrer Honorarkräfte sind und mehr Kinder das Gymnasium verlassen als gehalten werden. welt.de zitiert auch die Kritik der Opposition: »›Zur Qualität der Nachhilfe und deren langfristiger Wirkung konnte der Senator nichts berichten, stattdessen servierte er einen Zahlensalat‹, sagte die Grünen-Schulpolitikerin Stefanie von Berg.« Ebenso wie die FDP-Schulpolitikerin Anna von Treuenfels: »›Rabe versucht wieder einmal, die selbst verschuldeten Probleme hinter einem Zahlenwust zu verstecken‹. Der Anstieg der Teilnehmerzahlen sei kein Erfolg, sondern belege nur, ›dass der reguläre Unterricht vielfach nicht fruchtet. Wenn der Senator keine Detailzahlen für die einzelnen Schulformen vorlegt, lässt das befürchten, dass er Problemballungen in den Stadtteilschulen verschleiern will.‹«

In eine ähnliche Kerbe schlägt taz.de: »Die Kosten in Höhe von elf Millionen Euro werden zum Teil aus dem Bildungs- und Teilhabepaket des Bundes gedeckt. Die Kritik daran, dass hier alle Kinder von einer nur für Arme gedachten Förderung profitieren, wies Rabe zurück: So sei ein diskriminierungsfreier Zugang geschaffen. Und in anderen Bundesländern würden diese Mittel oft ungenutzt verfallen.« Schon riefen CDU und FDP nach der »Wiedereinführung des Sitzenbleibens«.

Mit einer Anekdote beginnt der Artikel auf abendblatt.de: »Als der Schüler Ties Rabe zum zweiten Mal in Folge eine Englisch-Fünf im Zeugnis hatte, entschlossen sich seine Eltern, einen Nachhilfelehrer zu engagieren. Während die Rabes die privaten und letztlich erfolgreichen Extrastunden in den 70er Jahren bezahlen mussten, kann er heute jährlich knapp elf Millionen Euro bereitstellen, damit leistungsschwache Schüler kostenlose Nachhilfe in der Schule erhalten.« Der Text endet mit dem unkommentierten Hinweis, dass die Nachhilfeinstitute privatwirtschaftliche Unternehmen seien und dass die Honorarkräfte »für 60 Minuten Unterricht 22 Euro« bekämen.

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