Bundestag macht Weg für Reform des Lebensversicherungssystems frei

Garantiezins für Neuverträge soll künftig sinken / Linke: Regierung knickt vor Versicherungslobby ein

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Der Bundestag hat eine Reform des Lebensversicherungssystem beschlossen. Mit dem Stimmen der Koalition aus Union und SPD billigte das Parlament am Freitag das von der Regierung vorgelegte Gesetz, das die finanzielle Stabilität der Versicherungskonzerne langfristig verbessern soll. Die Opposition von Grünen und Linke lehnte den Entwurf ab und monierte eine zu einseitige Belastung der Versicherungskunden.

Die Linken-Abgeordnete Susanna Karawanskij warf den Regierungsfraktionen vor, vor der Versicherungslobby »eingeknickt« zu sein. Das Gesetz garantiere keinen »fairen Interessenausgleich« zwischen den Beteiligten.

Dagegen verteidigte der CSU-Experte Hans Michelbach den Entwurf, der in der kommenden Woche abschließend noch vom Bundesrat behandelt werden muss. Die Reform wahre die »Balance« zwischen den Interessen, sagte er.

Das Gesetz sieht Veränderungen sowohl für Kunden als auch Unternehmen vor. Zudem werden die Befugnisse der staatlichen Versicherungsaufsicht gestärkt. Ziel der Reform ist, die Lebensversicherer krisenfester zu machen, indem sie deren Kapitalausstattung verbessert.

Die Branche wird durch die anhaltende Niedrigzinsphase für ausfallsichere Anlageformen wie Staatsanleihen belastet. Die Bundesbank warnte jüngst davor, dass ein Drittel der deutschen Lebensversicherungsanbieter unter diesen Bedingungen langfristig gefährdet seien.

Dem Gesetz zufolge sinkt der Garantiezins für neue Lebensversicherungen ab 2015 von 1,75 Prozent auf 1,25 Prozent. Einschnitte für Bestandskunden gibt es bei den sogenannten Bewertungsreserven - einem weiteren Ausschüttungs-Baustein von Lebensversicherungen, der bei Kündigung fällig wird. Dabei handelt es sich um Gewinne, die im Laufe der Zeit durch Kursanstiege bei mit Kundengeldern gekauften Wertpapieren eintreten können. Bislang musste kündigenden Kunden die Hälfte dieser Gewinne ausgezahlt werden. In Zukunft soll das unter bestimmten Bedingungen nicht mehr gelten müssen.

Solche Kürzungen bei den Bewertungsrücklagen sind aber nur dann zulässig, wenn eine Firma Gefahr läuft, ihre Garantieversprechen für die verbleibenden Versicherten nicht mehr einhalten zu können. Die Regelung betrifft zudem nur Bewertungsreserven aus festverzinslichen Wertpapieren wie Staatsanleihen, nicht die aus Aktien- oder Immobilienanteilen im Portfolio der Versicherten.

Staatsanleihen haben die generelle Eigenschaft, dass ihr Börsenkurs ansteigt, wenn die für sie fälligen Zinsen sinken. Die Kunden, die ihre Lebensversicherung jetzt kündigen, profitieren also von der aktuellen Niedrigzinsphase bei diesen Papieren und sorgen bei den Versicherungsunternehmen für Liquiditäts-Abflüsse.

Im Gegenzug müssen die Versicherer ihre Kunden dem schwarz-roten Gesetz zufolge stärker an den laufenden Risikoüberschüssen aus ihren Investments beteiligen. Die Ausschüttungsquote steigt von 75 Prozent auf 90 Prozent. Unternehmen können von der Finanzaufsicht zudem dazu gezwungen werden, im Fall von Schieflagen auf Ausschüttungen an ihre Aktionäre zu verzichten. Auch müssen sie ihr Risikomanagement verbessern.

Die Opposition kritisierte vor allem den Verzicht auf die Offenlegung von Provisionen bei Vermittlung von Versicherungsverträgen. Dies war ursprünglich als weitere Transparenzmaßnahme im Entwurf vorgesehen, wurde aber wieder gestrichen. Das Gesetz weise auch dadurch an entscheidende Stelle »völlige Blindflecken« auf, kritisierte der Grünen-Abgeordnete Gerhard Schick. AFP/nd

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