Assange beantragt Aufhebung des Haftbefehls

Voruntersuchung wegen »sexueller Nötigung« weckt Zweifel am Vorgehen schwedischer Staatsanwältin gegen Wikileaks-Mitbegründer

  • Bengt Arvidsson, Stockholm
  • Lesedauer: 2 Min.
In knapp zwei Wochen könnte Julian Assange die ecuadorianische Botschaft in London nach zwei Jahren eventuell verlassen, schreibt die schwedische Zeitung »Expressen«.

Das für einen internationalen Haftbefehl verantwortliche Stockholmer Amtsgericht will die umstrittenen Vorwürfe gegen Assange, wegen »weniger grober Vergewaltigung« und »sexueller Nötigung« von zwei Schwedinnen im Sommer 2010 am 16. Juli erneut überprüfen. Dies meldete die Zeitung unter Berufung auf Assanges schwedischen Verteidiger Thomas Olsson am Freitag. »Wir haben die Aufhebung des Haftbefehls beantragt. Wir haben gute Argumente und sehen zuversichtlich einem positiven Entscheid entgegen«, sagte der Anwalt.

Der Entscheid des Amtsgerichtes kommt unerwartet für Rechtsexperten. Bislang hatte die schwedische Staatsanwaltschaft stets auf ein Verhör mit Assange in Schweden bestanden. Für die Überprüfung des Falles müssen laut Rechtsexperten neue Aspekte ans Licht gekommen sein. Assange hatte seine Weigerung, sich in Schweden zu stellen, mit seiner Angst vor einer Auslieferung an die USA begründet. Er hatte amerikanische Kriegsverbrechen im Irak enthüllt. Schwedens Regierung weigerte sich tatsächlich stets, Assange eine Nichtauslieferung an die USA zu garantieren, sollte er sich einem Verhör in Stockholm stellen.

Schon länger kursiert im Internet ein Voruntersuchungsbericht mit sämtlichen Aussagen der beiden Schwedinnen. Der Inhalt ließ bereits Kritik an der Ernsthaftigkeit der Anschuldigungen sowie der Verhältnismäßigkeit eines internationalen Haftbefehls aufkommen. Kritik kam selbst aus einer feministischen Gruppe der Sozialdemokraten, aus der die beiden vermeintlichen Opfer und ehemaligen Assange-Fans stammen.

Aus dem offiziell nicht bestätigten Protokoll geht hervor, dass Assange gegen den Wunsch der beiden Frauen im ansonsten einvernehmlichen Sex keine Kondome benutzt hatte. Keine der beiden Frauen brach den ungeschützten Geschlechtsverkehr dann ab. Beide Frauen hatten nach dem Sex mit Assange weiterhin freundschaftlichen Kontakt zu ihm. Eine der Frauen habe Assange sogar am Folgetag einen Fahrschein für seien Weiterfahrt gekauft, heißt es in dem Protokoll. Assange wurde in Schweden nie angeklagt, nur verdächtigt. Die Schwedinnen fanden erst später heraus, dass Assange mit ihnen beiden Sex hatte und entschieden sich dann zu einer Anzeige.

Ein schwedischer Staatsanwalt hatte im Sommer 2010 nach Prüfung der Beschuldigungen entschieden, die Anzeige ganz fallen zu lassen. Dann gab es einen Personalwechsel. Eine neue Anklägerin, Marianne Ny, nahm sich des Falles im Herbst an und distanzierte sich vom Beschluss ihres Vorgängers. Staatsanwältin Ny gilt in Frauenfragen als besonders engagiert.

So ist in Schweden eher die Ansicht verbreitet, dass keine von den USA angeführte internationale Verschwörung, sondern eine übereifrige Staatsanwältin hinter dem Haftbefehl für den Wikileaks-Mitbegründer steht. Dass Assange sich trotz der für ihn günstigen Rechtslage nicht in Schweden stellen will, wirft allerdings Fragen auf.

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