Halali in Bayerns Landtag

Die jährliche Abschusszahl bei Wildschweinen hat sich im Freistaat seit 1980 verzwanzigfacht - dennoch gibt es immer mehr Flurschäden

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Wildschweine fühlen sich in Bayern offenbar sauwohl. Die Bauern klagen über die explosionsartige Vermehrung der Sauen, die große Schäden auf den Feldern anrichten. Das ruft den Landtag auf den Plan.

München. Bayerns Jäger sind nicht in der Lage, die Bestandsexplosion bei Wildschweinen und Wildgänsen zu stoppen. Sowohl die Sauen als auch die drei in Bayern vorkommenden Arten der Wildgans haben sich in den vergangenen Jahren weiter stark ausgebreitet, obwohl es bereits seit Jahren Appelle zur stärkeren Bejagung gibt. »Es sind eigentlich nicht die Schweine, die das Problem darstellen«, sagte Niels Hahn, ein vom Landwirtschaftsministerium beauftragter Jagdfachmann, am Mittwoch im Agrarausschuss des Landtags. Probleme seien fehlendes Wissen und Egoismen in der Jägerschaft, gegenseitige Schuldzuweisungen und mangelhafte Kommunikation von Jägern, Bauern, Förstern, Privatwaldbesitzern und Behörden.

Die jährliche Abschusszahl bei Wildschweinen hat sich seit 1980 mehr als verzwanzigfacht, von knapp 3000 auf über 65 718 in der Jagdsaison 2012/13. Dennoch haben sich die Tiere in vielen Regionen Bayerns ausgebreitet, in denen sie früher nicht vorkamen. Natürliche Feinde haben die Sauen nicht mehr, seit Bär und Wolf ausgerottet wurden. »Den Wildschweinen geht es im wahrsten Sinne des Wortes saugut«, sagte Hahn. »Für eine Reduktion der Schwarzwildpopulation wäre es gar nicht so schlecht, wenn es den Wolf gäbe.«

Fachleute betrachten die Ausbreitung der Tiere mit Sorge. Wildschweine richten nicht nur Verwüstungen auf den Feldern an. So wird befürchtet, dass sich die in Osteuropa aufgetretene Afrikanische Schweinepest nach Westen ausbreiten könnte. In einem Modellversuch erprobt wurde bereits der Einsatz von Gewehren mit Nachtsichtgeräten - eigentlich Polizei und Bundeswehr vorbehalten.

»Ich möchte, dass das Bundeskriminalamt prüft, ob die Jäger in Ausnahmesituationen Nachtsichtgeräte einsetzen dürfen«, sagte die Ausschussvorsitzende Angelika Schorer (CSU) nach der Sitzung. Unterstützung für den Einsatz moderner Technik kommt von der SPD: »Wir fliegen auch nicht mehr mit der Apollo 8 Rakete in den Weltraum«, sagte der SPD-Abgeordnete Horst Arnold. Die Jäger sollten nicht mit Vorderladern schießen müssen.

Freie Wähler-Chef Hubert Aiwanger warf dem Landwirtschaftsministerium Mitschuld an der Wildschweinplage vor. Viele revierübergreifende Drückjagden auf Wildschweine kämen nicht zustande, weil die Staatsjagdreviere darauf bestünden, gleichzeitig Rehe zu schießen.

Nicht nur Wildschweine fühlen sich wohl in Bayern, auch Wildgänse. Graugans, Kanadagans und Nilgans richten ebenfalls Schäden in der Landwirtschaft an. Und im Sommer lösen sie bei Badegästen Verdruss aus, weil Seeufer mit Gänsekot verdreckt sind. Die inzwischen in Bayern weit verbreiteten Graugänse sind die Nachfahren von Tieren, die der Verhaltensforscher Konrad Lorenz Ende der fünfziger Jahre auswilderte. »Aus 200 Individuen hat sich eine gesamtbayerische Population entwickelt«, sagte ein Beamter des Agrarministeriums.

Ein von Landwirtschaftsminister Helmut Brunner (CSU) eingesetzter Arbeitskreis hat inzwischen Empfehlungen ausgesprochen. So wird die Jagdzeit für Gänse erstmals verlängert. Weitere mögliche Maßnahmen: Schwimmbarrieren, Barrieren auf Wiesen und am Ufer und die Anlage von Gänsewiesen. dpa/nd

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