nd-aktuell.de / 22.07.2014 / Politik / Seite 2

Washington wäre sehr unfreundlich gewesen

Am 22. Juli 1944 wurde im Berghotel »Mount Washington« ein internationales Währungssystem geschaffen

Dieter Janke
John Maynard Keynes galt 1944 als der größte Ökonom seiner Zeit. Doch durchsetzen konnte er sich in Bretton Woods nicht.

Die Entscheidung für den namensgebenden Ort, an dem die Verhandlungen über die Finanz- und Währungsarchitektur nach dem Zweiten Weltkrieg stattfinden sollten, geht vermutlich auf eine Bitte von John Maynard Keynes als britischem Verhandlungsführer zurück. Bereits schwer herzkrank, hatte er sich an Harry Dexter White, Staatssekretär im US-amerikanischen Finanzministerium und Chef der US-Delegation, gewandt: »Laden Sie um Himmels willen nicht nach Washington ein. Das wäre sehr unfreundlich.« So trafen sich die 730 Delegierten Anfang Juli 1944 im Berghotel »Mount Washington« in Bretton Woods, New Hampshire.

Bei den wesentlichen Inhalten des am 22. Juni 1944 im »Gold Room« paraphierten Vertragstextes blieb der englische Lord, der immerhin als einflussreichster Ökonom seiner Zeit galt, nur zweiter Sieger. Einig waren sich Briten und US-Vertreter beim Ziel eines relativ stabilen Währungssystems zur Sicherung ungestörter Handelsströme. Die Weltwirtschaft, vor allem aber die Europas sollten revitalisiert werden.

Keynes favorisierte ein unabhängiges internationales Zahlungsmittel, den Bancor, für den globalen Zahlungsverkehr. White hingegen stritt für den US-Dollar als internationaler Leitwährung sowie feste Wechselkurse. Seine Position war gestärkt durch die sich mit dem nahenden Kriegsende abzeichnende wirtschaftliche und politische Dominanz der USA als wichtigstem Gläubigerland, das zudem über die weltweit größten Goldreserven verfügte.

Während der dreiwöchigen Verhandlungen im Hotel »Mount Washington« setzte sich letztlich die US-amerikanische Position durch: Die US-Währung wurde mit einem fixen Goldpreis von 35 US-Dollar je Feinunze zur internationalen Leitwährung erklärt. Alle Devisentransaktionen waren durch feste Kurse der anderen Währungen zum US-Dollar festgeschrieben. Die anderen Notenbanken verpflichteten sich ihrerseits, erforderlichenfalls den Kurs ihrer jeweiligen Landeswährung innerhalb einer Bandbreite von plus/minus ein Prozent zur Leitwährung durch Währungsmarktinterventionen zu sichern. Gleichzeitig verständigte man sich auf die Gründung zweier internationaler Organisationen - den internationalen Währungsfonds (IWF) und die Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (Weltbank). Beide nahmen am 27. Dezember 1947 ihre Arbeit auf und sollten das multilaterale Finanzgefüge überwachen sowie den Kreditbedarf für den Wiederaufbau in der Nachkriegszeit sichern.

Beide Institutionen existieren bis heute. Der Gold-Dollar-Standard und die mit ihm verbundenen Kontrollen des globalen Kapitalverkehrs sollten sich jedoch bereits in der 1960er Jahren als nicht mehr tragfähig erweisen. Forciert durch die ausufernden Kosten des Vietnam-Kriegs, waren die USA vom wichtigsten Gläubiger zum größten Kreditnehmer geworden, der die Notenpresse zur Deckung der wachsenden Verbindlichkeiten in Gang setzte und die Welt regelrecht mit Dollars überschwemmte.

Parallel schmolzen die Goldvorräte in Fort Knox drastisch dahin, da mit der Dollarflut auch der Drang wuchs, die Dollarreserven in Gold zu tauschen. 1965 attackierte Frankreichs Präsident de Gaulle die US-Währungsdominanz erstmals offensiv, indem die Pariser Notenbank Millionen von Dollar in Gold einlöste. Gleichzeitig entsprachen die relativ starren Währungsparitäten immer weniger den neuen weltwirtschaftlichen Gegebenheiten. So nahm für die exportstarke Bundesrepublik beständig der Druck zu, die D-Mark aufzuwerten. Im Oktober 1969 beschloss die sozialliberale Koalition unter Willy Brandt eine Aufwertung um 8,5 Prozent, um einer importierten Inflation zu begegnen. Als selbst dieser mit Niedrigzinsen der Bundesbank gepaarte Schritt nicht den gewünschten Erfolg zeitigte, gab die Bundesregierung im Mai 1971 den D-Markkurs frei und löste, wie der spätere Bundesbankpräsident Karl Otto Pöhl einschätzte, »ein kleines internationales Erbbeben aus«.

In den folgenden Wochen brach der Dollarkurs regelrecht ein. Daraufhin sah sich US-Präsident Richard Nixon gezwungen, in einer Fernsehansprache am Abend des 15. August 1971 den sofortigen Ausstieg aus dem Gold-Dollar-Standard und damit das faktische Ende des Systems von Bretton Woods zu verkünden. Bereits im Jahr zuvor hatten die USA, Kanada, die BRD und die Schweiz die bis dahin gültigen Kapitalverkehrskontrollen außer Kraft gesetzt. Mit den kräftigen Spekulationswellen vom Frühjahr 1973 brach das System fester Wechselkurse schließlich endgültig auseinander - Währungsspekulationen waren fortan Tür und Tor geöffnet.