Viele Stents helfen nicht unbedingt auch viel

Barmer GEK-Krankenhausreport untersucht Interventionen bei koronarer Herzkrankheit

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 3 Min.
Die koronare Herzkrankheit (KHK) bringt zwar weniger Menschen ins Krankenhaus, die Zahl der Eingriffe steigt aber. Das zeigt der Barmer-Krankenhausreport, der am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde.

Ein Engegefühl in der Brust, ausstrahlend in den linken Arm, kurzzeitige Herzschmerzen bei Belastung - diese Symptome könnten für eine KHK sprechen. Hilft gesünderer Lebensstil oder medikamentöse Behandlung nicht weiter, können die verkalkten Gefäße rund um das Herz auch mit chirurgischen Eingriffen wieder frei gelegt werden. Koronare Revaskularisation ist der Fachbegriff für verschiedene Methoden, von denen im diesjährigen Barmer-Krankenhausreport die vier wichtigsten genauer untersucht wurden. Eine Bypass-Operation gilt als ein größerer, mehrstündiger Eingriff, für den eine Herz-Lungenmaschine gebraucht wird. Seine Häufigkeit sinkt seit etwa zehn Jahren.

Drei weitere Eingriffe erfolgen minimalinvasiv über Blutgefäße in Leiste oder Arm. Von besonderem Interesse waren unter diesen die beschichteten, Medikamente freisetzenden Stents, die ehemals verschlossene Blutgefäße freihalten sollen. Dieser modernste Ansatz gilt mittlerweile als Standard, sein Anteil hat seit 2005 um 225 Prozent zugenommen.

Für diese Stents sprechen in Studien vor allem die geringen Raten von notwendigen Wiederholungseingriffen. Allerdings, so stellten die Wissenschaftler um die Medizinerin Eva Maria Bitzer vom Beratungsunternehmen Agenon fest, kommt diese Qualität nicht in der Routineversorgung an. Im medizinischen Alltag muss sich jeder fünfte Patient schon im ersten Jahr einer Re-Intervention unterziehen, das sagen jedenfalls die repräsentativen Daten, die die Barmer GEK unter ihren Versicherten erhoben hat. Künftige Studien müssten also die Routinebedingungen stärker berücksichtigen. Im Vergleich zu allen anderen Methoden ist die Sterblichkeit nach dem Einsetzen beschichteter Stents am geringsten: Nur 15 Prozent der so operierten Patienten leben fünf Jahre nach dem Eingriff nicht mehr.

Die Häufigkeit der Wiederöffnung von Herzkranzgefäßen mit diesen Stents erklärt sich nur zum Teil dadurch, dass sie heute bei mehr KHK- und Infarktpatienten angewandt wird als etwa 2005. Zunehmend werden die Gefäßstützen auch bei Herzklappenproblemen oder Herzrhythmusstörungen implantiert. Barmer GEK-Vorstand Rolf-Ulrich Schlenker fragt sich angesichts des Stent-Booms allerdings, ob sich der Zuwachs wirklich medizinisch begründen lässt. Er sieht eher eine Wirkung des Preises - 5400 Euro etwa kostet der erste Krankenhausaufenthalt in einem solchen Fall.

Immer weniger Menschen in den Industriestaaten sterben an der KHK. Neuere Studien zu den Ursachen dafür gibt es in Deutschland allerdings nicht. Für Großbritannien, Griechenland und Polen fanden Forscher jedoch heraus, dass die Gründe am ehesten in einer besseren Behandlung von Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörungen liegen. Für die Bundesrepublik wäre es demnach auch angeraten, die Fragestellung erneut wissenschaftlich zu untersuchen.

Insgesamt bestätigte der Krankenhausreport Tendenzen der früheren Jahre: Die Fallzahlen steigen weiter, während die Verweildauer im Krankenhaus immer kürzer wird. Nach Bundesländern hat Baden-Württemberg die geringste Zahl der Krankenhausfälle und -tage je 1000 Versicherte - nämlich knapp 180 beziehungsweise 1430. Nordrhein-Westfalen steht mit 229 Fällen und 1900 Krankenhaustagen an der Spitze. Die östlichen Bundesländer finden sich verteilt über die ganze Skala, Thüringen auf Platz drei und Mecklenburg-Vorpommern auf dem vorletzten Platz. Für ganz Deutschland erzeugen demnach Diagnosen psychischer Störungen die größte Gruppe, nämlich 36 Prozent aller Krankenhaustage.

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