Mietpreisbremse: Protest ist pure Ideologie

Mieterbund kritisiert Blockadehaltung von Union, Wohnungswirtschaft und Vermieterlobby

  • Lesedauer: 6 Min.
Ulrich Ropertz ist Geschäftsführer des Deutschen Mieterbundes und seit beinahe 30 Jahren beim Dachverband von 320 Mietervereinen im gesamten Land. Eine Kampagne, wie die jetzige gegen die Mietpreisbremse, hat er in diesen drei Jahrzehnten kaum erlebt, gibt er zu Protokoll. Über Für und Wider der Mietbegrenzung und die Aussichten auf deren Realisierung sprach mit dem 60-Jährigen Gabriele Oertel.

nd: Die Mietpreisbremse sollte vor der parlamentarischen Sommerpause auf den Weg gebracht werden. Dazu ist es nicht gekommen. Können die Mieter auf den Herbst hoffen?
Ropertz: Wir hoffen natürlich, dass wir im Herbst endlich einen Regierungsentwurf bekommen und das parlamentarische Verfahren starten kann. Es gibt zwar seit März einen Referentenentwurf aus dem Hause des SPD-Bundesjustizministers Heiko Maas. Der ist aber offensichtlich im Kabinett noch nicht abgestimmt. Jedenfalls gibt es keinen Kabinettsentwurf.

Hat der heftige Widerstand aus der CDU für die Verzögerung gesorgt?
Es ist extrem enttäuschend, dass sich Teile eines Koalitionspartners offenbar nicht mehr daran erinnern können, mit welchen Themen sie in den Wahlkampf gezogen sind und die Bundestagswahl gewonnen haben. Die Kanzlerin hat sich erstmals vor einem Jahr für die Mietpreisbremse ausgesprochen. Die steht im CDU-Regierungsprogramm und genau jene Version, die CDU und Angela Merkel favorisiert hatten - eine nicht flächendeckende Mietpreisbremse, die nur in Gebieten mit erhöhtem Wohnungsbedarf gilt -, auch im Koalitionsvertrag. Aber seit es einen Gesetzentwurf gibt, zickt die CDU. Vermutlich ist manchem im Nachhinein aufgegangen, dass es sich dabei vermeintlich um Teufelswerk handelt. Setzt man sich inhaltlich mit den Bedenken auseinander, rechtfertigen die das Blockadeverhalten nicht.

Schere zwischen Bestands- und Angebotsmieten

Von Wohnungswirtschaft und Vermieterverbänden gern bestritten, aber Schwarz auf Weiß nachweisbar: Es gibt durchaus akuten Handlungsbedarf, um die Wiedervermietungsmieten wirksam zu begrenzen und die sogenannte Mietpreisbremse wirksam werden zu lassen. Denn die Schere zwischen den sogenannten Bestands- und Angebotsmieten geht nach einer Auswertung des Mieterbundes von Daten des Forschungsinstituts F+B vom Februar 2014 in Ballungszentren, Universitäts- und Großstädten immer weiter auseinander.

In Regensburg beispielsweise liegt die örtliche Bestandsmiete bei 6,33 Euro, die Marktmiete aber bei 8,60 Euro - das heißt, 36 Prozent mehr als die zuvor gezahlte Miete können die Vermieter bei der Wiedervermietung einer Wohnung vom Nachmieter verlangen. Um 34 Prozent wird in Münster, um 33 Prozent in Konstanz draufgesattelt. 32 bzw. 30 Prozent über dem örtlichen Bestandsmietenniveau liegt die erzielbare Marktmiete in Heidelberg, Mainz und Frankfurt am Main. Auch wenn diese sechs die fragwürdigen Spitzenreiter in Sachen Mieterabzocke sind - in 15 weiteren deutschen Städten, darunter auch in der Hauptstadt, zahlen neue Mieter im Durchschnitt immerhin noch über 20 Prozent mehr als Altmieter. Würde die Mietpreisbremse wirksam, bei der die Miete bei Neuvermietung nicht mehr als zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt, müssen auch Vermieter in Ludwigsburg, Stuttgart, Esslingen, Köln und Wiesbaden ihre Ansprüche zurückfahren. nd

 

 

Setzen wir uns also mit den Bedenken auseinander. Ist es etwa nicht so, dass sich die Mietpreisbremse negativ auf den Neubau auswirkt? Ist nicht richtig, dass Investoren, die in den Wohnungsbau viel Geld stecken, Verluste befürchten müssen?
Die Befürchtungen, dass die Mietpreisbremse den Neubau abwürgt, wird durch die aktuellen Neubau- und Baugenehmigungszahlen konterkariert. Wir hatten in den letzten sieben Jahren nie so viel Wohnungsbaugenehmigungen wie 2013 und 2014. Die Immobilienkonzerne kaufen Wohnungen, weil mit denen gute Gewinne zu machen sind. Die fürchten offensichtlich alle nicht, dass ihr Geschäft durch die Mietpreisbremse zum Erliegen kommt. Zudem wird der Wohnungsneubau im Maas-Entwurf ausdrücklich ausgenommen. Das einzig mögliche Problem: Mieten im Wohnungsneubau, die ja deutlich höher sind als sonstige Wiedervermietungen, steigen nicht automatisch bei jeder Wiedervermietung. Aber selbst bei kurzfristigem Mieterwechsel bleibt dem Vermieter die bisherige überdurchschnittlich hohe Miete.

Die LINKE sagt, die CDU hat die Mietpreisbremse nie gewollt. War es ein »Verkehrsunfall«, dass sie in den Koalitionsvertrag gekommen ist?
Dann wäre die Idee der Kanzlerin, die freilich nicht ihre eigene war, der erste »Verkehrsunfall« gewesen. Dann wäre der zweite »Verkehrsunfall«, dass die Mietpreisbremse in das Regierungsprogramm der Union gerutscht ist, und ihre Festschreibung im Koalitionsvertrag der dritte »Verkehrsunfall«. An so viele »Unfälle« glaube ich nicht. Dennoch werden die nächsten Wochen zeigen, ob die Linkspartei Recht behält oder nicht.

Viele sagen, die Mietpreisbremse sei ein Instrument von gestern.
Nein, sie ist ein Instrument, um Mietern in Großstädten, Universitätsstädten und Ballungszentren gegen exorbitant steigende Wiedervermietungsmieten zu helfen. Diesen Anstieg auf 20, 30 oder sogar 40 Prozent über der bisherigen Miete haben wir, weil in diesen Regionen eine hohe Nachfrage besteht und Wohnungen fehlen, nachdem in den letzten Jahren zu wenig gebaut wurde. Freilich, wir brauchen viel mehr neue Wohnungen, wir brauchen viel mehr Sozialwohnungen an diesen Standorten. Nur vergehen Jahre, bis die gebaut sind. Und ich kann die, die heute und morgen eine bezahlbare Wohnung suchen, nicht mit einem Ausblick auf 2019 oder später vertrösten. Bis die Wohnungsmärkte wieder einigermaßen ausgeglichen sind, brauchen wir die Mietpreisbremse.

Also geht es nur um eine vorübergehende Lösung?
Wenn der Wohnungsneubau in Schwung kommt und wir tatsächlich wieder ausgeglichene Wohnungsmärkte haben, wird der Mietpreisbremse der Boden entzogen, weil dann exorbitante Mietpreissprünge nicht mehr möglich sind. Dann würde der Markt einigermaßen funktionieren, dann sind Angebot und Nachfrage im Einklang und dann können Vermieterforderungen, die jenseits von Gut und Böse sind, im Regelfall nicht mehr realisiert werden. Die funktionieren ja nur deshalb, weil der Vermieter ein knappes Gut anbietet.

Es gibt keine flächendeckende Mietpreisbremse, die zeitliche Begrenzung auf fünf Jahre ist im Gespräch. Lohnt es eigentlich noch, um diesen Flickenteppich zu kämpfen?
Sicher, wir wollten ursprünglich eine grundsätzliche Mietpreisbegrenzung bei Wiedervermietung, weil wir dann nicht auf das Wohlwollen der Länder angewiesen wären. In Regionen, wo es ausreichend Wohnungen gibt, hätte sie nicht geschadet, an Problemstandorten wäre sie da gewesen. Die jetzt diskutierte Bremse mag nicht die sein, die wir ursprünglich gefordert haben. Das macht das Instrument aber nicht weniger wichtig. Die Frage bleibt jedoch, welche Länder mitziehen und wie umfassend sie von ihren Möglichkeiten Gebrauch machen, die Quartiere mit erhöhtem Wohnungsbedarf auszuweisen.

Um Bayern brauchen Sie sich dabei keine Sorgen zu machen.
Erstaunlicherweise ist das so. Es gab 2013 - damals noch von der schwarz-gelben Bundesregierung eingeführt - eine ähnliche Regelung: Reduzierung der Kappungsgrenze von 20 Prozent auf 15 Prozent in bestehenden Mietverhältnissen in Gebieten mit erhöhtem Wohnungsbedarf. Ein Jahr später müssen wir feststellen, dass es längst nicht alle Länder geschafft haben, eine entsprechende Verordnung zu erlassen. Aber Bayern war das erste Bundesland, das in über 80 Kommunen die Mietpreisbremse greifen ließ. In Nordrhein-Westfalen gilt sie für zahlreiche Kommunen, außerdem auch in Hamburg und Berlin, demnächst in Brandenburg. Andere Länder wie Rheinland-Pfalz oder Niedersachsen bzw. Hessen diskutieren noch. Aber von bundesweit einheitlichen Verhältnissen sind wir weit entfernt.

Bundesjustizminister Maas zeigt sich optimistisch, dass seine Mietpreisbremse kommen wird. Und ist zudem auf eine Mieterbundforderung eingegangen, den Wucherparagrafen, den er ursprünglich streichen wollte, doch im Wirtschaftsstrafrecht zu behalten. Zufrieden?
Es gibt die Zusage von Maas, dass Paragraf 5 im Wirtschaftsstrafgesetz bestehen bleibt. Das ist wichtig. Allerdings reicht das nicht aus, diese Regelung muss novelliert werden. Der Justizminister hat völlig zu Recht gesagt, dass dieser Paragraf in der jüngsten Vergangenheit praktisch nicht mehr zur Anwendung kam, weil ein gegen seinen Vermieter klagender Mieter mit seiner Nachweispflicht von günstigeren Angeboten überfordert war. Käme die Novelle, hätten wir eine Sanktionsmöglichkeit für die Schwarzen Schafe unter den Vermietern, die sich nicht an die Regeln der Mietpreisbremse halten.

Also ist die Mietpreisbremse allein ein stumpfes Schwert?
Sanktionsmöglichkeiten, die der Paragraf 5 des Wirtschaftsstrafgesetzes bietet, hätte die Mietpreisbremse im augenblicklichen Gewand nicht.

Die Mietpreisbremse wäre nach Mindestlohn und Rente mit 63 die dritte Kröte, die die CDU in der Regierung schlucken müsste. Sehen Sie nicht die Gefahr, dass die SPD ihrem Koalitionspartner deren Bekömmlichkeit erleichtern wird?
Ich fürchte nicht um den Koalitionsfrieden. Zum einen hat die Große Koalition bei den Themen Mindestlohn oder Rente bewiesen, dass sie die Vereinbarungen des Koalitionsvertrages umsetzt. Warum die Mietpreisbremse ein anderes Schicksal erfahren sollte, wäre nicht schlüssig. Und warum Kröte? Da es sich um die Unionsversion der Mietpreisbremse handelt und nicht die flächendeckende der SPD, hat der Justizminister alles getan, um dem Koalitionspartner entgegenzukommen.

Und warum springen dann so viele im Dreieck?
Vielleicht hat die LINKE doch recht und Teile der Union haben das Wort der Kanzlerin nie ernst genommen.

Oder es geht manchem Konservativen und Wohnungswirtschaft wie Vermieterlobby um viel mehr, nämlich um den »Sündenfall« eines Eingriffs in den heiligen Markt?
Dieses Gefühl habe ich in der Tat. Hinter der Empörung der Wohnungswirtschaft, der Immobilien- und Vermieterverbände steht offenbar nicht etwa die Kritik an Details der jetzt geplanten Mietpreisbremse, sondern die pure Ideologie.

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