Kreuzhain ist so nuller Jahre

Sarah Liebigt über hüpfende Jutebeutel vor bunten Kulissen

  • Sarah Liebigt
  • Lesedauer: 2 Min.

Die Discokugeln glitzern im Club-Garten, Kneipen und Spätis werden zu bunt schillernden Lichterketten und wem das zu farblos ist, der kann auf dem Wünsch-Dir-Was-Weg bunte Sachen zum Konsumieren erwerben, die alles noch bunter und toller scheinen lassen. Doch: Man sei hier nicht in Disneyland, beschwerte sich die Bürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg. Dem Bezirk mit eigenen Party-Shuttles, also der U 1 und der U 8. Letztere fährt sogar bis nach Wedding, für die wagemutigen unter den Disneyland-Besuchern. Da gibt’s dann finster dreinschauendes Berlin Real Life, in Imbissbuden mit Migrationshintergrund und Eckkneipen mit deutschen Kartoffeln.

Aber Disneyland? Der abgewrackte Kreuzberger Charme von unsanierten Häuserkulissen und unangepassten Altlinken oder der lustige Friedrichshainer Ostmief ist doch längst hinter Putz und geschlossener Biobäckerfront verschwunden. Disneyland ist woanders.

»Doch, das geht, hab’ ich neulich bei spiegel online gesehen«, sagt die Kollegin nachdrücklich und grinsend. »Als Preis gibt es übrigens ’ne vergoldete Clubmate-Flasche mit Schnurrbart dran«, ergänzt ein zweiter Kollege.

Was »geht«? Jutebeutel-Sackhüpfen. Auf dem »Hipster Cup«. Aber nicht in Kreuzhain, das ist so nuller Jahre. »iPhone-Weitwurf und Mustache Riding« finden in Schöneberg statt. Das ist westlich von Kreuzberg, noch weiter weg von Friedrichshain und grenzt an Steglitz. Noch nie gehört? Macht nichts. Marne-la-Valée kennt auch keiner. Da liegt Disneyland Paris.

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