nd-aktuell.de / 28.07.2014 / Sport / Seite 19

Rauchende Köpfe

Jürgen Holz zum Start des behinderten Weitspringers Markus Rehm

Jürgen Holz

Irgendwie war es vorhersehbar, dass der Start des Paralympicssiegers Markus Rehm bei den Deutschen Leichtathletik-Meisterschaften der Nichtbehinderten in Ulm Zündstoff liefern würde.

Fakt ist: Der 25-jährige Leverkusener feierte als unterschenkelamputierter Weitspringer im Feld der Nichtbehinderten einen spektakulären Titelgewinn: Mit einer Karbonstelze springend stellt er mit 8,24 Metern einen neuen paralympischen Weltrekord auf, den er selbst seit Juli 2013 mit 7,95 Metern hielt, und flog 19 Zentimeter weiter als die vom Deutschen Leichtathletik-Verband (DVL) festgelegte Norm für die EM im August in Zürich.

Nun rauchen die Köpfe. Denn mit seiner EM-Normerfüllung stellt Rehm den DLV, der ihn ohnehin nur unter Vorbehalt in Ulm hat starten lassen, und den Leichtathletik-Weltverband IAAF vor Probleme. Die Frage ist: Nominiert ihn der DLV überhaupt für die EM? Und wenn ja: Erhält Rehm eine Startgenehmigung auch durch den Europäischen Leichtathletik-Verband EAA?

Von dort liegt eine erste Reaktion schon vor: Der Kontinentalverband könne diese Entscheidung gar nicht treffen. Dies müsse die IAAF tun, so die EAA, die aber unverzüglich Gespräche mit dem DLV ankündigte. Der wiederum hat es versäumt, sich rechtzeitig und lange vor Ulm auf diese brisante Situation einzustellen.

Der »Fall Rehm« gibt jedenfalls keine Parallele her zum »Fall Oscar Pistorius«, den behinderten südafrikanischen 400-Meter-Läufer, der sich vor dem Internationalen Sportgerichtshof (CAS) das Startrecht für Weltmeisterschaften und Olympische Spiele erstritten hatte. Das CAS-Urteil war auf den Einzelfall bezogen und nicht generell auf alle Athleten, argumentiert die EAA. Zieht Markus Rehm demnächst also auch vor den CAS, um seinen EM-Start juristisch zu erstreiten?

Unterdessen sollen Experten durch biomechanische Messungen herausfinden, ob die leicht federnde Beinprothese Rehm einen Vorteil verschafft. Schließlich sei die Karbonstelze deutlich länger als ein gesundes Bein, von 15 Zentimetern ist die Rede. Kann dadurch sein mäßiges Sprinttempo von 11,46 s ausgeglichen werden? Der Streit fernab von Inklusionsdebatten geht weiter.