Mit einem U-Bahn-Ticket in die Heide

Drittes Protestcamp gegen Altmark-Übungsplatz - Plan für gewaltfreie Besetzung

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 3 Min.

Weder in Magdeburg noch in Halle gibt es eine U-Bahn. Doch was den beiden Großstädten in Sachsen-Anhalt fehlt, soll in der Altmark Realität werden: Im Gefechtsübungszentrum (GÜZ) der Bundeswehr in der Colbitz-Letzlinger Heide entsteht derzeit für 100 Millionen Euro die Übungsstadt Schnöggersburg, in der es neben Wohnhäusern, Elendsvierteln und einem Flughafen auch eine U-Bahn geben soll.

Auf der Facebook-Seite der Initiative »Gewaltfreien Aktion GÜZ abschaffen« sind daher jetzt blaue Tickets zu sehen: »U-Bahn-Fahrkarte Colbitz-Letzlinger Heide«, ist zu lesen, »Station Kriegsübungsstadt Schnöggersburg«. Die Fahrscheine werden bald gebraucht: Während des Protestcamps »War starts here«, das vom 17. bis 25. August stattfindet, plant die Initiative eine gewaltfreie Besetzung des Platzes. Man wolle, heißt es, »Leben in die Gegend tragen, die sonst vom Tod beherrscht wird«.

Die gewaltfreie Aktion ist eine neue Facette des Camps, das zum dritten Mal durchgeführt wird und dem Widerstand gegen das militärische Übungsareal zunehmend zu überregionaler Aufmerksamkeit verhilft. Jahrelang hatte nur die Bürgerinitiative »Offene Heide« ausdauernd gegen die anhaltende militärische Nutzung der Heide protestiert, die laut einem 1997 geschlossenen Heide-Kompromiss eigentlich auslaufen sollte. Statt dessen betreibt Rheinmetall für die Bundeswehr heute den Übungsplatz, der zu den modernsten Europas gehört und auf dem jährlich 25 000 Soldaten für Auslandseinsätze üben.

Dank des Camps hatten Kriegsgegner aus ganz Deutschland das Thema für sich entdeckt. Freilich: Das Camp polarisiert auch. Grund ist vor allem die Offenheit für Aktionsformen aller Art und die fehlende Absage an gewaltsamen Widerstand. Als Vertreter des Camps nach einem Brandanschlag auf Fahrzeuge der Bundeswehr im Juli 2013 im nahe gelegenen Havelberg von einem »Beitrag zur Abrüstung« sprachen, stieß das bei der »Offenen Heide« und anderen Kriegsgegnern auf teilweise geharnischte Widerworte.

In diesem Jahr sollen sich auch diese Kritiker ruhigen Gewissens an den Protesten beteiligen können - dank der »Gewaltfreien Aktion«. Zu deren Organisatoren gehören Aktivisten der Offenen Heide, von Anti-Atomprotesten wie »x-tausendmal quer« und »gorleben 365«, von »Stuttgart 21« und von den Protestgruppen gegen die in Büchel stationierten Atomwaffen. Die Aktion werde dem Camp eine neue Qualität verleihen, sagt ein Organisator: »Diese neue Stärke liegt in der bis ins bürgerliche Milieu hinein reichenden Mobilisierungsfähigkeit.« Auch Helmut Adolf von der BI »Offene Heide« äußert sich erfreut über die neue Facette des Camps. Er sehe »eine große Chance« in der Art der geplanten Besetzung: »Wenn man gegen Militär protestieren will, ist es wichtig, das gewaltfrei zu tun und nicht mit Guerillamethoden.«

Derweil läuft die Mobilisierung für das Camp auf Hochtouren. So ist für diesen Freitag um 20.30 Uhr eine Videokundgebung auf dem Heinrichplatz in Berlin-Kreuzberg geplant; weitere Infotermine gibt es nächste Woche in Hildesheim, Basel und Celle. Mittlerweile steht auch fest, wo das Camp in diesem Jahr stattfinden soll: Angemeldet wurde ein Platz in Brunkau unmittelbar an der Grenze des GÜZ. In den beiden vergangenen Jahren war das Camp etwa elf Kilometer entfernt in Potzehne ausgetragen worden. Die veränderte Ortswahl sollte Aktionen erleichtern - auch wenn die U-Bahn zur Anreise nicht zur Verfügung steht.

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