Eine relativ sichere Baustelle

Arbeitsunfälle in Berlin gehen zurück / Zahl der Todesfälle steigt leicht an

Die Zahl der Arbeitsunfälle in Berlin ist erheblich gesunken. Im vergangenen Jahr waren allerdings zwei Todesfälle mehr zu verzeichnen als 2012.

Auf der Schlossbaustelle in Mitte geht es auch am Mittwochmorgen emsig zu. Bis zu 700 Bauleute arbeiten hier, teilweise parallel, damit alles bis zum geplanten Eröffnungstermin 2019 fertig wird. Dass es laut Manfred Rettig, Vorstand der Stiftung Berliner Schloss - Humboldtforum, erst einen Arbeitsunfall gab, der zum Glück glimpflich ausging, ist beachtlich. Allgemein ist die Hauptstadt im Bundesvergleich eine relative sichere Baustelle, wie die am Mittwoch präsentierte Arbeitsunfallstatistik belegt. In Berlin gab es im Jahr 2012 demnach 29 173 Arbeitsunfälle, das sind über 3000 Fälle weniger als noch im Jahr zuvor. »Diese Zahlen sind erfreulich, auch wenn jeder Unfall einer zu viel ist«, sagt Arbeitssenatorin Dilek Kolat (SPD) bei der Vorstellung der Statistik auf der Besucherterrasse der Schlossbaustelle.

Um Vergleichbarkeit herzustellen, wurde die Zahl der Verunglückten ins Verhältnis zu 1000 Erwerbstätigen gesetzt, woraus sich für die Hauptstadt eine Unfallquote von 17,3 Vorfällen im Jahr 2012 ergibt, im Bund sind es immerhin 23,8. Unfallzahlen für das Jahr 2013 würden erst im September vorliegen, hieß es. In die Statistik fließen alle Unfälle ein, die eine Arbeitsunfähigkeit von mehr als drei Kalendertagen zur Folge haben. Am häufigsten handelte es sich bei den Verletzungen um Stürze im Bau- und Gastronomiegewerbe, Schnittwunden oder Gabelstaplerunfälle im Großhandel.

»Die Arbeitgeber haben mittlerweile aber verstanden, dass mit schlecht bezahltem Personal und billiger Ausrüstung keine Großbaustelle zu bewältigen ist«, sagt Robert Rath, Direktor des Landesamtes für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit Berlin (LAGetSi). Eine Firma könne es sich schlichtweg nicht leisten, wegen Verstößen gegen die Arbeitsschutzbestimmungen aufzufallen, sagt Rath. Er musste allerdings auch eingestehen, dass die Dunkelziffer der Arbeitsunfälle den Schnitt noch nach oben korrigieren könnte. Die Unfälle, die aufgrund einer illegalen Beschäftigung gar nicht erst gemeldet werden, erfasst die Statistik natürlich nicht.

Während die Zahl der Arbeitsunfälle über die Jahre gesunken ist, sind die Todesfälle während der Arbeit hingegen von acht im Jahr 2012 auf zehn im letzten Jahr gestiegen. 2014 sind bisher drei Arbeiter tödlich verunglückt. Im Januar stürzte ein Bauarbeiter beim Transport von Arbeitsgerät von einem vereisten Dach. Er hatte sich den Umweg über den Aufzug sparen wollen, schildert Arbeitssenatorin Kolat den Fall. Bei einem tödlichen Unfall aus dem Jahr 2013 hatte ein Vorarbeiter auf einer Baustelle in der Großbeerenstraße in Marienfelde vergessen, die Schutzausrüstung gegen Absturz anzulegen und fiel vom Gerüst. In allen Fällen ermittelt momentan die Staatsanwaltschaft.

Im Rahmen der gemeinsamen deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) haben Bund, Länder und Unfallversicherungen Arbeitsschutzziele vereinbart, die im Zeitraum zwischen 2008 bis 2012 umgesetzt werden sollten. Das LAGetSi hat in den fünf Jahren Kontrollen in Betrieben durchgeführt, Arbeitsschutzmaßnahmen geprüft sowie Beschäftigte und Arbeitgeber befragt. Im Mittelpunkt stand dabei die Baubranche, denn dort liegen die Gesundheitsrisiken und Unfallquoten doppelt so hoch wie beispielsweise in der gesamten gewerblichen Wirtschaft.

Die Ergebnisse sind allerdings nicht besonders realistisch, da die Kontrollen vorher angekündigt waren. Zwei Drittel der über 2500 besuchten Betriebe haben einen ordentlichen Arbeitsschutz vorzuweisen, so das Fazit der Behörde. Insgesamt hat das LAGetSi nur 2,8 Prozent aller Berliner Betriebe besuchen können. »Es ist auch nicht sinnvoll, jeden Arbeitsplatz zu kontrollieren, sondern Schwerpunkte zu setzen«, sagt Rath. Ein gutes Arbeitsschutzmanagement sei vor allem Aufgabe der Betriebe.

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