Oben und unten

Bildungsrauschen

  • Lesedauer: 3 Min.

Just zur Ferienzeit postet die Lehrerin Heidemarie Brosche auf www.sueddeutsche.de einen Artikel, der die Überheblichkeit nicht weniger Bildungsbürger gegenüber ihren chancenlosen Mitbürgern kritisiert und doch selbst hier und da in diese Falle tappt. Bedeutsam ist der Zeitpunkt, an dem er gepostet wird: das Sommerloch. Somit fällt in selbiges das gesellschaftlich wichtige Thema. Im Netz zeigte man reges Interesse. So würde Falkenfelsen »Menschen, die andere verachten und verhöhnen, nicht als gebildet bezeichnen. Momentan fällt mir leider kein besseres Wort ein. Vielleicht stark und erfolgreich? Ich kenne auch Ärzte oder Anwälte, die sich sehr gern diese Scripted-Reality-Shows anschauen und wenig Ahnung von Politik oder Kultur haben. Deswegen würde ich sie nicht als Gebildete bezeichnen. Vielleicht obere Mittelschicht? Ich kenne auch arme und ungebildete Menschen (auch Migranten), die aber über Anstand und Lebensweisheit verfügen und die wissen, was sich gehört und was nicht. Was kann man gegen die Arroganz der Erfolgreichen tun? Das ist natürlich ein weites Feld. Man könnte damit anfangen, dass man die Kinder nicht vier, sondern z.B. acht Jahre gemeinsam lernen lässt.« Und erichr würde »beim Zusammenhang zwischen Wohlstand und Bildung (es reicht ein Blick ins Proll TV - die Geißens!) und Armut und Unbildung differenzieren. Das hat nicht unbedingt etwas miteinander zu tun. Es gibt ebenso arbeitslose promovierte Historiker, oder auch in Altersarmut Lebende mit sehr hohem Bildungsniveau und auf der anderen Seite sehr großen Wohlstand in ›bildungsfernen Schichten‹.«

Für postit wurden im Artikel »ganz schön viele Klischees aneinander geheftet. Aber vielleicht helfen solche schwarz/weiß-Vergleiche ja bei der Orientierung. Meine Realität sieht anders aus. Wir verkehren mit allen möglichen Leuten. Da gibt es die Eltern unseres Ballettkindes und die unseres Fußballkindes. Hier Mittelstand und Bürgertum aus Schwabing, dort Untergiesing, mit den vielen Flüchtlingsfamilien aus Ex-Jugoslawien. Wir fühlen uns bei allen wohl. Ich kann zwar Unterschiede sehen, aber je persönlicher der Kontakt wird, desto mehr verschwinden diese. Lässt man sich wirklich auf sein Gegenüber ein, wird jeder Kontakt gut. Wenn man dagegen seine Barrieren im Kopf nicht ausschalten kann, macht man sich und seinem Gegenüber das Leben schwer.«

Nora Barnacle ist echauffiert und meint: »Wie schön, dass Sie die Verachtung der ›Bildungsschicht‹ gegenüber dem Prekariat ankreiden, indem sie dieses auf abstoßendste, rührselige Art und Weise bemitleiden und sich gleichsam durch Ihre vermeintlich empathischen Aussagen immer noch moralisch, intellektuell und lebensweltlich über Mitbürger in prekären Lebenslagen stellen. Übrigens gehört mittlerweile auch ein Großteil der Hochschulabsolventen (v.a. in den Geisteswissenschaften) und sogar der mehrheitliche Teil der universitären Angestellten (v.a. die im unteren Mittelbau, siehe Lehrbeauftragte) zum von Ihnen so bedauerten ›Prekariat‹. Es täte Ihnen gut, die ach so armseligen (›Die können es ja gar nicht besser wissen!‹) Familien als selbstverantwortliche, mündige Individuen zu begreifen und nicht als Ihr Wohltätigkeitsprojekt.«

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