Begegne jedem Menschen mit Freundlichkeit und Güte

Der britische Regisseur Peter Chelsom über »Hectors Reise oder die Suche nach dem Glück«

  • Lesedauer: 4 Min.
Der Brite Peter Chelsom startete vor 20 Jahren mit »Hear my Song« und »Funny Bones«. In Berlin stellte er vergangene Woche die britisch-deutsche Adaption von »Hectors Reise oder die Suche nach dem Glück« vor. Mit Chelsom sprach Katharina Dockhorn.

nd: Vor 20 Jahren begeisterten Sie hier mit »Funny Bones«. Sind Sie gerne wieder gekommen?
Die Premiere von »Funny Bones« kenne ich nur vom Hörensagen. Meine Frau war schwanger. Ich verzichtete auf die Berlinale, wo »Funny Bones« als inoffizieller Gewinner galt. Nun bin ich mit meinem dritten, persönlichen Film zu meinen Wurzeln zurückgekehrt. Ich habe einen Teil meines Talents, das Schreiben, vernachlässigt. Deshalb wollte ich mich auf dem schwierigen Weg zu diesem Film durchbeißen.

Wer hat Sie zu diesem Schritt angestoßen?
Dier Berliner Produzentin Judy Tossel (Ein russischer Sommer, Rush). Der Stoff entsprach meiner Vorliebe für Fabeln. Die Figuren repräsentieren mehr als ihre Persönlichkeit. Sie sind Archetypen für bestimmte Verhaltensweisen und Charaktereigenschaften.

Warum ein Film über die Suche nach dem Glück?
Wir sind täglich damit konfrontiert. Ratgeber sind Bestseller und die Werbung wirbt mit ihren Glücksversprechen. Das verunsichert uns zutiefst. Dabei ist es ganz einfach: Begegne jedem Menschen mit Güte und Freundlichkeit. Das macht das Leben aller besser und glücklicher.

Wie haben Sie das Tragische in dieser Komödie herausgekitzelt?
Ich bat alle Schauspieler, reale Menschen zu spielen. Denn einige Situationen des Films sind bizarr genug. Mit dieser Konzeption kann man eine Frau porträtieren, die im Flugzeug beinahe an einem Gehirntumor stirbt. Die Situation ist ja alles andere als lustig. Andererseits spielt Simon Pegg oft wie Jacques Tati in »Mon Oncle«. Diesen Spagat schaffen heute nur wenige Komödien. Sie sind eher aufgeblasene TV-Sketche.

Was stört Sie?
Hollywood betrachtet die Komödie als minderwertiges Genre. Dabei sind sie ein hervorragendes Tool, um Bedeutendes zu sagen. Und die modernen Komödien ecken nicht an, sie bedienen den Humor eines Teenagers. Das ist schade. »Ziemlich beste Freunde«, »Marigold Hotel« haben bewiesen, dass intelligente Geschichten bei älteren Zuschauern punkten und ein Vielfaches ihrer Kosten einspielen. Nur die Studios lernen nicht daraus.

Woran liegt dies?
Am Oscar. Die Auswahl der Kandidaten kann man voraussagen: Politisch, Krankheit, Tod, eine historische Biographie. Komödien haben keine Chance. Dazu kommt, dass sich ihm alles unterordnet. In den 1970er wäre keiner auf die Idee gekommen, »Einer flog über das Kuckucksnest« im November zu starten. Er lief im Juni an.

Nach welchen Kriterien besetzen Sie ihre Filme?
Popularität und die vorherigen Arbeiten der Schauspieler sind zweitrangig. Mich interessiert, ob sie in meinen Film passen und ich sie mag. So habe ich dem Debütanten Lee Evans für »Funny Bones« vertraut. Simon Pegg war gesetzt. Ich konnte mich zurücklehnen und ihn spielen lassen. Wenn er sein Kindergesicht aufsetzte, lief es wie von selbst.

Bedauern Sie, dass Sie die Schauspielerei an den Nagel gehängt haben?
Nein, es hat mich nie ausgefüllt. Ich brauchte den Anstoß meines Kollegen Nigel Hawthorne, um das zu erkennen. Wir drehten für die BBC und er riet mir, du solltest Regie führen. Du hast ein gutes Auge und hast seine Vision des fertigen Films. Ich war beleidigt, doch er hatte Recht. Andererseits bin ich für diese Jahre dankbar. Ich weiß, was Schauspieler brauchen.

Müssen wir wieder fünf Jahre auf ihren nächsten Film warten?
Ich verhandle über vier Projekte. Den Science-Fiction-Film »Out of this world« um eine Astronautin, die auf dem Weg zum Mars bei der Geburt ihres Kindes stirbt. 16 Jahre später landet es auf der Erde. Mit Judy Tossel arbeite ich an »Christmas lost and Found«, einem Biopik um Charles Dickens. Ein weiteres Buch liegt in der Schublade und eines habe ich gerade beendet. »Anjali`s Hunch« setzt ihre Geschichte aus diesem Film fort.

Wird Anjali von Veronica Ferres gespielt?
Sie hat mich inspiriert. Die Deutschen mögen das seltsam finden. In den USA und GB fragen mich alle, wer ist diese deutsche Schauspielerin, wir lieben ihr Spiel.

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