Kühlschränke, Klimaziele und sprudelnde Steuern

Klaus Franz, Autor, Effizienz-Experte und Vorstandsmitglied des Gesamtverbandes Dämmstoffindustrie GDI, über die Woche aus Klimarettersicht

  • Lesedauer: 6 Min.

klimaretter.info: Herr Franz, wann immer es um Klimaschutz in den eigenen vier Wänden geht, ist das Interesse unser Leser enorm. Texte wie »Zu Hause ein Kraftwerk« oder »KfW-Zuschüsse für Sanierung auf Eis« haben dann schnell 25.000 Leser. Das Interesse ist da, doch die Unterstützung der Bundesregierung für den Klimaschutz im Wohnbereich ist nur gering. Warum?

Klaus Franz: In den letzten Jahren sind die Verbrauchskosten für Heizung, Warmwasser und Strom in den privaten Haushalten stark angestiegen, Tendenz weiter steigend. Klar, dass es da ein großes Interesse an Tipps oder Ideen gibt, wie man in den eigenen vier Wänden sparsam sein kann.

Dieses Interesse wird von der Bundesregierung durchaus gefördert. Sie unterstützt beispielsweise den Energie-Check zu Hause. Mietern und Hauseigentümern wird damit die Möglichkeit gegeben, Wohnräume durch Experten auf Einsparmöglichkeiten beim Energieverbrauch überprüfen zu lassen. Einkommensschwache Haushalte bekommen seit Kurzem einen Zuschuss für energieeffizientere Kühlschränke. Die KfW vergibt zudem Zuschüsse für energetische Sanierungsmaßnahmen. Ich könnte die Liste noch lange weiterführen.

Wichtig ist aber, dass jeder tatsächlich bei sich anfängt. Wir können es uns nicht länger leisten, Energie zu verschwenden. Es sind oftmals die kleinen Dinge, die schon viel ausmachen. Oder wussten Sie beispielsweise, dass technische Geräte wie Fernseher und Stereoanlage im Stand-by-Modus mehr Strom verbrauchen können als im produktiven Betrieb?

Die Grünen kritisieren die Bundesregierung für ihre Planlosigkeit bei der Gebäudesanierung. Weder könne sie bisher genau definieren, wie die jährliche Sanierungsrate von Gebäuden berechnet wird, noch, was der Niedrigstenergiestandard für Neubauten bedeutet. Ist das so schwierig zu bestimmen?

Es ist legitim, dass die Opposition versucht, die Regierung vorzuführen, aber so planlos ist diese nun auch nicht. Dass es für das Niedrigstenergiehaus noch keine Definition gibt, liegt zunächst einmal daran, dass aus Brüssel noch keine konkreten Vorgaben gekommen sind, was man sich auf EU-Ebene unter einem solchen Niedrigstenergiehaus vorstellt. Zusammen mit den unterschiedlichen Interessengruppen und unter Einbeziehung wissenschaftlicher Untersuchungen wird eine solche Definition schrittweise herausgearbeitet. Auch ich wünsche mir dabei eine große Sorgfalt. Immerhin geht es darum, wie wir in Zukunft wohnen werden.

Die Dämmstoffbranche würde es allerdings begrüßen, wenn das Passivhaus zum Standard wird. Das ist ein Haus, das aufgrund seiner guten Wärmedämmung gar keine Gebäudeheizung mehr benötigt.

Zum Stichwort Sanierungsrate. Natürlich gibt es Berechnungen. Die derzeitige Sanierungsrate liegt bei rund 0,8 Prozent. Diese Rate ergibt sich aus zwei Studien. Zum einem aus der Erhebung des Instituts für Wohnen und Umwelt und des Bremer Energie-Instituts. Deren Studie kam 2010 auf eine Rate von 0,83 Prozent. Im vergangenen Jahr gab das Bundesbauministerium eine neue Studie beim IWU in Auftrag. Sie kam unter Einbeziehung anderer Sanierungstiefen auf 0,79 Prozent.

Auch wenn bisher keine konsolidierte Definition der Sanierungsrate vorliegt, zeigen diese Zahlen doch: Die energetische Sanierung kommt viel zu langsam voran. Es muss dringend etwas getan werden. Sonst droht die Energiewende im Gebäudebereich zu scheitern.

Wissenschaftler und der Bundesverband Erneuerbare Energien kritisieren: Die Bundesregierung setze kaum Anreize zur Steigerung der Energieeffizienz.»Setzt sich dieser Trend auch nach 2020 fort, bleibt die Energiewende auf der Strecke«, sagt der Ingenieurwissenschaftler Joachim Nitsch. Welche Maßnahmen wären am dringendsten?

Das Bundesumweltministerium will bis November das »Aktionsprogramm Klimaschutz 2020« erarbeiten, um das Klimaziel von minus 40 Prozent Kohlendioxid doch noch bis 2020 zu erreichen, und klopft alle Bereiche auf Einsparpotenziale ab. Die Dämmstoffbranche empfiehlt, das enorme Einsparpotenzial im Gebäudesektor, vor allem bei der Wärmedämmung, auszuschöpfen. Das Öko-Institut und die Prognos AG haben in ihrer Studie »Modell Deutschland: Klimaschutz bis 2050« errechnet, was ein klimaneutraler Gebäudebestand bedeuten würde: Eine CO2-Reduktion um 97 Prozent!

Darüber hinaus hat das Bundeswirtschaftsministerium ein neues Dialogforum für wichtige Beteiligte aus Immobilienwirtschaft, Gewerbe und Industrie sowie für Verbraucher und öffentliche Hand geschaffen. Die Energiewende-Plattform Gebäude will bis zum kommenden Jahr eine ganzheitliche Gebäudestrategie ausarbeiten.

All das ersetzt aber nicht die dringend notwendigen Anreize. Um zusätzlich privates Kapital zu heben und so die angestrebte jährliche energetische Sanierungsquote von mindestens 2,5 Prozent zu erreichen, braucht es aus meiner Sicht dringend steuerliche Anreize. Das würde auch Impulse für die lokale Bauwirtschaft setzen und letztlich zu höheren Steuereinnahmen führen.

Und was war Ihre Überraschung der Woche?

Das war tatsächlich die BEE-Studie »Szenarien der deutschen Energieversorgung auf der Basis des EEG-Gesetzentwurfs« – schon im Titel mit dem wichtigen Zusatz: »insbesondere Auswirkungen auf den Wärmesektor«. Man kann es nicht oft genug sagen: Die Energiewende bleibt ohne Steigerung der Energieeffizienz auf der Strecke.

Fragen: Benjamin von Brackel

Der Artikel auf klimaretter.info.

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