CDU hält Sondierungsgespräche mit SPD und Grünen für möglich

Linke besorgt über Radikalisierung im Bürgertum / AfD will sich von möglichen früheren NPD-Mitgliedern trennen

  • Lesedauer: 7 Min.

Update 17.00 Uhr: Auf dem Weg zur Bildung einer neuen Regierung drückt die CDU in Sachsen aufs Tempo. Erste Sondierungsgespräche mit SPD und Grünen seien noch diese Woche möglich, sagte Generalsekretär Michael Kretschmer einen Tag nach der Landtagswahl am Montag in Dresden. «Es gibt zwei greifbare Koalitionsmöglichkeiten.» Er gehe davon aus, dass der CDU-Landesvorstand rasch über die Sondierungen entscheiden werde. «Dann kann es im Laufe dieser Woche schon die ersten Gespräche geben.»

Nach dem guten Abschneiden der Alternative für Deutschland (AfD) setzen Brandenburgs übrige Parteien im Landtagswahlkampf auf eine weitere Mobilisierung der Wähler. Die niedrige Wahlbeteiligung in Sachsen unter 50 Prozent habe die CDU mit der Verlegung der Wahl in die Ferienzeit zu verantworten, sagte SPD-Generalsekretärin Klara Geywitz: «Das hat der rechtsnationalen AfD ein hohes Ergebnis beschert.»

Geywitz betonte ebenso wie Linken-Spitzenkandidat Christian Görke, dass die Bürger nun noch stärker motiviert werden müssten, am 14. September wählen zu gehen. In Brandenburg liegt die AfD nach einer Umfrage in der vergangenen Woche bei 6 Prozent.

Update 15.50 Uhr: Nach dem Erfolg bei der Landtagswahl in Sachsen schließt die AfD eine Trennung von einzelnen Mitgliedern auch künftig nicht aus. Die AfD sei eine junge Partei, die relativ schnell zusammengefunden habe, sagte Generalsekretär Uwe Wurlitzer am Montag in Dresden. «Dass es da am Anfang Querelen gibt, und dass der eine oder andere doch nicht dazupasst, das kommt eben vor.» Einzelne Mitglieder der AfD waren - wie in einem Fall aus Dresden - mit der rechtsextremen NPD in Verbindung gebracht worden.

Es sei eigentlich ein Wunder, dass die Partei bei dem schnellen Wachstum nicht auseinandergeflogen sei. «Es gehört auch dazu, dass man sich von Leuten trennt, die ganz offensichtlich nicht dazupassen», sagte Wurlitzer und rechnete für die kommenden Wochen durchaus noch mit Abgängen. Er verwahrte sich am Montag erneut vor einer Zuweisung in die «rechte Ecke». «Wir sind weder europafeindlich noch rechtsradikal», sagte er.

Update 14.45 Uhr: Die Amadeu Antonio Stiftung warnt angesichts des Wahlausgangs «vor verfrühter Euphorie». Für den Rechtsextremismus in Sachsen könne keine Entwarnung gegeben werden, so Timo Reinfrank, Stiftungskoordinator der Amadeu Antonio Stiftung. «Sachsen hat nach wie vor ein Problem am rechten Rand, das jetzt nicht kleingeredet werden darf. Der Misserfolg der NPD ändert nichts daran, dass es in Sachsen nach wie vor Hochburgen des Rechtsextremismus gibt. Sachsen sollte sich jetzt nicht darauf ausruhen, dass die NPD durch fehlende finanzielle Mittel strukturell geschwächt wird»«

Die NPD schließt eine Anfechtung der Landtagswahl in Sachsen nicht aus. Ihr Landesvorsitzender Holger Szymanski begründete das am Montag mit möglichen Unregelmäßigkeiten bei der Stimmenauszählung. Es gebe auch Gerüchte, dass »irgendwelche Beutel« mit Stimmzetteln verbrannt worden seien. Szymanski bezog sich auf Informationen von Wahlbeobachtern und aus Facebook. Dies wolle man nun prüfen. Die NPD war am Sonntag mit 4,95 Prozent der Stimmen äußerst knapp gescheitert. Am Ende fehlten ihr 809 Stimmen. »Die NPD hat ihr Wahlziel nicht erreicht«, sagte Szymanski.

Die sächsische Grünen-Chefin Claudia Maicher sieht nach dem schwachen Abschneiden bei der Landtagswahl keinen Regierungsauftrag für ihre Partei. »Ich spreche mich nicht gegen eine Regierungsbeteiligung aus. Ich sehe in dem Ergebnis aber keinen Auftrag der Wähler«, sagte Maicher in Dresden. »Wir hatten uns deutlich mehr erhofft. Wir sind enttäuscht.« Die Grünen hatten 5,7 Prozent erreicht.

Update 13.05 Uhr: Nach der Landtagswahl in Sachsen bereiten sich sowohl SPD als auch Grüne auf Gespräche mit dem Wahlsieger CDU vor. Der Landesvorstand der Union wollte am Montagabend über die Aufnahme von Sondierungsgesprächen entscheiden. Vor einer möglichen schwarz-roten Koalition will die SPD ihre Mitglieder befragen.

Die Linke hat der SPD und den Grünen vorgeworfen, in Sachsen nicht auf eine Wechselstimmung gesetzt zu haben. Nur der Linken sei es gelungen, die CDU herauszufordern, sagte Parteichefin Katja Kipping am Montag in Berlin. Nun werde man konsequente Oppositionsarbeit machen, Missstände aufdecken und für eine sozial-ökologische Wende sowie mehr Gerechtigkeit eintreten.

Mit dem eigenen 18,9-Prozent-Ergebnis zeigte sich Spitzenkandidat Rico Gebhardt zufrieden. Besorgt äußerte sich die Linke, weil die Alternative für Deutschland (AfD) und die NPD zusammen fast 15 Prozent bekommen haben. »Offensichtlich radikalisiert sich etwas im bürgerlichen Block«, sagte der Co-Parteivorsitzende Bernd Riexinger. Die CDU habe bewusst auf Demobilisierung gesetzt.

Die Thüringer Landeschefin Susanne Hennig-Wellsow machte darauf aufmerksam, dass es bei der Landtagswahl in zwei Wochen in Thüringen anders als in Sachsen einen echten Lagerwahlkampf gebe - mit einer Zuspitzung auf ein Duell von Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) und Linken-Kandidat Bodo Ramelow.

Update 13.00 Uhr: In der Diskussion um eine Fortsetzung des NPD-Verbotsverfahrens hat Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) sich klar dafür ausgesprochen. »Jetzt das Verbot aufzugeben, wäre ein verheerendes Signal«, erklärte er am Montag in Dresden nach dem Ausscheiden der NPD. »Die NPD hat im sächsischen Landtag immer wieder ihre Verfassungsfeindlichkeit geradezu zur Schau gestellt. Der Staat muss hier im richtigen Verfahren klar seine Grenzen zeigen. Die wehrhafte Demokratie ist keine Frage von Prozentpunkten.«

Angesichts der Stimmenverluste der NPD in Sachsen hatte sich zuvor CDU-Bundesvize Thomas Strobl für ein Ende des laufenden NPD-Verbotsverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht ausgesprochen. Dieser Vorschlag stieß bei Ulbig auf Unverständnis: 4,9 Prozent der Stimmen seien nicht unbeachtlich, teilte er weiter mit. Das Weltbild und die Ideologie seien nicht aus der Szene verschwunden.

Update 12.45 Uhr: Am Tag nach der Wahl in Sachsen beraten in Dresden und Berlin die Gremien von Landes- und Bundesparteien über die Konsequenzen der Abstimmung. Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht dabei bereits die Frage möglicher Koalitionen im Freistaat. CDU-Ministerpräsident Stanislaw Tillich muss sich einen neuen Koalitionspartner suchen. Seine Partei wurde erneut mit weitem Abstand stärkste Partei, obwohl sie ihr schlechtestes Ergebnis bei Landtagswahlen in Sachsen erzielte. Sie hat nun rechnerisch die Wahl zwischen SPD, AfD und Grünen.

Ein Bündnis mit der Rechtspartei Alternative für Deutschland schloss Tillich am Wahlabend allerdings aus. »Wir werden uns einen Koalitionspartner suchen, mit dem wir auch gemeinsam für das Land etwas erreichen können. Und mit Sicherheit zählt dazu die AfD nicht«, sagte er in der ARD. Der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Thomas Strobl betonte in der »Leipziger Volkszeitung« (Montag): »Die AfD passt nicht zum Exportland Deutschland und sie passt auch nicht zur Europapartei CDU.« Als wahrscheinlichste Koalition gilt in Dresden nun ein Bündnis von CDU und SPD, was auch die große Koalition von Kanzlerin Angela Merkel stärken würde.

Neben der Frage der Regierungsfarben in Sachsen wurde auch weiter über den Aufstieg der als rechtspopulistisch und nationalkonservativ bezeichneten AfD diskutiert - und über die Frage, wie die etablierten Parteien darauf reagieren. Bundesinnenminister Thomas de Maizière analysierte beim Sender Phoenix: »Bei der AfD gibt es viele, die ich Modernisierungsverlierer nenne, die mit der modernen Welt nicht mehr klar kommen.«

CDU: Koalition mit der AfD völlig ausgeschlossen

Der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Thomas Strobl nannte eine Koalition mit der AfD völlig ausgeschlossen. Gegenüber der »Leipziger Volkszeitung« sagte Strobl, der auch baden-württembergischer Landesvorsitzender ist: »Die AfD passt nicht zum Exportland Deutschland und sie passt auch nicht zur Europapartei CDU. Deswegen kommt eine Koalition mit dieser Partei für die CDU nicht infrage.«

Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir warnte in der »Leipziger Volkszeitung«: »Die Union wäre nicht gut beraten, wenn sie sich in Richtung Rechtspopulismus öffnete. Das wäre das klare Signal an die Wähler, die AfD auch in den nächsten Bundestag zu wählen.«

Nach dem Wahlerfolg der Alternative für Deutschland (AfD) in Sachsen hat der Parteienforscher Hendrik Träger den großen Parteien Defizite bescheinigt. »Da spielt vielleicht nicht nur Protest eine Rolle, sondern auch die strukturelle Schwäche der etablierten Parteien vor Ort. Das ist ein Vakuum, in das Protestparteien eindringen können«, sagte der an den Universitäten Leipzig und Magdeburg arbeitende Wissenschaftler der Nachrichtenagentur dpa: »Wenn die anderen Parteien vor Ort keine Leute haben, dann fehlen auch die Freiwilligen für Wahlkämpfe, die Plakate aufhängen, Flyer verteilen oder den kleinen Wahlkampfstand vor der Sparkasse haben.« Nach Ansicht Trägers können Parteien, die einen populistischen Wahlkampf führen und auf Proteststimmen aus sind, in Sachsen relativ gut punkten: »Ob das am Ende etwas mit der Grenznähe zu tun hat, wird die Auszählung in den grenznahen Gebieten ergeben.« Aber schon die Europawahl habe darauf hingedeutet, dass insbesondere in den ländlichen Gebieten nahe der Grenze viele Leute AfD wählten: »Das sind auch die Regionen, wo die NPD 2004 gut abschnitt.«

Die AfD hatte bei der Europawahl im Mai in Sachsen 10,1 Prozent der Stimmen und damit ihr bundesweit bestes Ergebnis erzielt. Für die rechtsextreme NPD ist die Sächsische Schweiz eine Hochburg. dpa/nd

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