Deutsche fürchten um russischen Markt

Umfrage unter 750 Unternehmen in Moskau vorgelegt

  • Irina Wolkowa, Moskau
  • Lesedauer: 2 Min.
Der russische Markt bleibt attraktiv, doch die Politik macht Sorgen. Deutsche Unternehmen halten Sanktionen für falsch.

Kurz und mittelfristig drohen auf dem russischen Markt Verluste und sogar der Exodus. So das Fazit einer repräsentativen Umfrage, die die deutsch-russische Außenhandelskammer (AHK) in Moskau vorstellte. Sie vertritt rund 750 deutsche Unternehmen, die in Russland ansässig sind.

Das Ergebnis der Mitgliederbefragung ist eine gelbe Karte für die Politik. Für Russland wie für Deutschland. Denn Gegenstand waren die Sanktionen, die Europa und Moskau wegen der Ukraine-Krise gegen den jeweils anderen verhängten. Fast 80 Prozent der Befragten halten sie für den falschen Weg und kontraproduktiv für das politische Krisenmanagement.

Nur 38 Prozent der in Russland ansässigen deutschen Unternehmen gaben an, von Embargos direkt betroffen zu sein. Das waren mit 24 Prozent vor allem Hersteller von Gütern, die sowohl im zivilen als auch im militärischen Bereich eingesetzt werden können, sowie der meist mittelständische Maschinen- und Anlagenbau.

58 Prozent fürchten jedoch, der Konflikt in der Ukraine werde direkte Auswirkungen auf ihre Geschäfte haben. Durch Kreditverknappung und Rubelabwertung würden russischen Auftraggebern bei der Finanzierung von Projekten deutlich höhere Kosten entstehen. Viele seien durch unscharfe Anwendungsvorschriften für die Sanktionen zusätzlich verunsichert.

71 Prozent der befragten Unternehmen fürchten, das Geschäftsklima werde sich bis Jahresende weiter eintrüben. Bei der letzten Umfrage im Dezember 2013 sahen das nur 55 Prozent so. Unter den Bedenkenträgern ist auch AHK-Präsident Rainer Seele, Vorstandschef der BASF-Tochter Wintershall, die eng mit russischen Gasförderern kooperiert. Noch spüre man keine Veränderungen im Verhältnis zu russischen Geschäftspartnern. Sollten die Sanktionen verschärft werden oder länger anhalten, könnte sich die deutsche Wirtschaft gezwungen sehen, Russland-Projekte zu stornieren, Personal auf Kurzarbeit zu setzen oder ganz zu entlassen. Im schlimmsten Falle würde der Standort Russland aufgegeben. Zumal die russische Wirtschaft sich auf Asien umorientiert. Das, so Seele, sei eine »reale Herausforderung«.

Fast zeitgleich warnte Senatspräsidentin Valentina Matwijenko den Westen, weiter an der Sanktionsspirale zu drehen. Russland, sagte sie auf einer Beratung über die Perspektiven der Halbinsel Kamtschatka, wolle weder Konfrontation noch Isolierung. Moskau sei interessiert, die Zusammenarbeit mit Europa fortzusetzen. Andererseits wolle es auch »aktivere Maßnahmen zum Schutz der nationalen Wirtschaft ergreifen«.

Die bereits verhängten Sanktionen, so Matwijenko, seien »empfindlich, aber nicht dramatisch. Niemandem werde es gelingen, die russische Wirtschaft zu untergraben.

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