Schwarze Aussichten für Aufklärer

NSA-Untersuchungsausschuss wurde fortgesetzt – unter erschwerten Bedingungen

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.
Im Frühjahr hatte der NSA-Ausschuss seine Arbeit begonnen. Dann machte man Sommerpause. Die ist vorbei. Eigentlich sollten die Abgeordneten am Donnerstag ihre Arbeit wieder aufnehmen. Eigentlich.

Bislang, so erinnert man sich, hat der Bundestagsuntersuchungsausschuss zur Aufklärung der elektronischen Massenbespitzelung deutscher Bürger durch US- und britische Geheimdienste nicht viel zustande gebracht. Nach dem Ende der parlamentarischen Sommerpause wollte man am Donnerstag so richtig loslegen. Doch daraus wurde nichts. Zunächst, weil der Ausschuss mal wieder geheim tagte. Die Idee kam – wie man sich denken kann – nicht von der Opposition. Zweitens hat man den Ausschussmitgliedern über die Ferien zwar jede Menge Akten – man spricht von 1000 mehr oder weniger dicken – zugestellt. Doch was darin wirklich wichtig ist, wurde zuvor geschwärzt.

Bisweilen kann man zwar den Briefkopf lesen, doch schon die Anrede ist unkenntlich gemacht. So wie der Rest, einschließlich Unterschrift. »Was soll man damit anfangen?« Martina Renner, Obfrau der Linksfraktion im NSA-Ausschuss, ist echt sauer. Zumal, da es sich um Akten und Aktenpartien handelt, »die eindeutig in der Verfügungsgewalt der Bundesregierung sind«.

Fünf Jahre in Unkenntnis gehalten

Mindestens seit 1976 spioniert der BND gegen den NATO-Partner Türkei. Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) soll damals die Genehmigung dafür erteilt haben. Als Medien darüber berichteten, kamen Fragen nach dem generellen Auftragsprofil des BND auf. Das sei geheim, so die Regierung, und daher nur den Mitgliedern des Parlamentarischen Kontrollgremiums bekannt. Seit wann, fragte nun die LINKE-Abgeordnete Halina Wawzyniak. Die Antwort ist erstaunlich: »Die Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums haben seit dem 18. August 2014 die Möglichkeit zur Einsichtnahme.« Wawzyniak fragte weiter, seit wann es das Auftragsprofil gibt. Es sei am 12. Februar 2009 erstellt worden, lautet die Antwort.

Zumindest zwei Dinge sind bemerkenswert. Erstens, der Spionageauftrag gegen die Türkei wurde unter der Verantwortung des heutigen Außenministers Frank-Walter Steinmeier (SPD) erteilt. Er war damals Beauftragter der Bundesregierung für die Nachrichtendienste. Zweitens hielt die Regierung das zuständige Geheimdienstkontrollgremium des Parlaments fünf Jahre fern von Informationen zu den Kernaufgaben des BND. hei

Beispiel: Es findet eine Besprechung zwischen der NSA und dem Bundesnachrichtendienst (BND) statt. Der deutsche Geheimdienst fertigt darüber eine Art Protokoll für den Hausgebrauch an. Das stellt man zwar dem Ausschuss zu, denn es hat nach Meinung der Bundesregierung offensichtlich einen Bezug zum Untersuchungsgegenstand der Parlamentarier. Doch nicht eine Zeile davon ist lesbar. Man weiß nicht einmal, was Gegenstand der Beratung war.

Das wiegt umso schwerer, als der Untersuchungsausschuss ja auch die Verstrickungen deutscher Dienste in den größten Abhörskandal aller Zeiten und seine Weiterungen klären soll. Martina Renner und André Hahn, der zweite LINKE im Ausschuss, der zugleich Mitglied im Gremium zur Kontrolle der Geheimdienste – kurz PKGr – ist, können weitere haarsträubende Beispiele vermitteln. Da schwärzt die schwarz-rote Bundesregierung sogar Texte, die aus öffentlichen Quellen nachlesbar sind. So im Transparenzbericht des US-Softwarekonzerns Microsoft. In den zugestellten Akten habe man sogar den Namen des Vizepräsidenten gelöscht. Begründung: Man müsse Unternehmensgrundsätze beachten und Persönlichkeitsrechte schützen. »Das torpediert die Arbeit des Untersuchungsausschusses«, so Hahn, und beide LINKE-Abgeordneten drohen – wie die Grünen-Kollegen Konstantin von Notz und Christian Ströbele – mit dem Gang zum Bundesverfassungsgericht.

Während die Presse bei der ersten Sitzung nach der Sommerpause ausgeladen wurde, hat man eine Schlüsselfigur im deutschen Geheimdienstunwesen eingeladen. Es handelt sich um den Staatssekretär im Kanzleramt und Beauftragten für die Nachrichtendienste, Klaus-Dieter Fritsche. Doch der Mann ist nicht als Zeuge aufgerufen. Er wurde von der schwarzen Ausschussmehrheit mit Assistenz der SPD als Gast willkommen geheißen. Was unter anderen eine Vereidigung mit Strafandrohung im Falle einer Falschaussage verhindert.

Fast noch absurder: Der Generalbundesanwalt Harald Range war am Donnerstag in den Kreis der Ausschuss-Obleute geladen. Gleichfalls nur als Gast. Der oberste Ermittler hat mehrere Prüfaufgaben zur Massenausspähung sowie ein Ermittlungsverfahren wegen der Ausspähung des Kanzlerhandys durch die NSA auf dem Tisch. Protokoll wird bei diesen Runden nicht geführt. Nichts von dem Gesprochenen ist also verwertbar.

Laut Plan wird sich der Ausschuss in den kommenden Sitzungen vor allem um den Bundesnachrichtendienst kümmern. Dabei wird interessant sein, wie der Auslandsnachrichtendienst erklärt, dass er im Grunde nichts anderes macht als US-Amerikaner und Briten. Er fischt ab, was er bekommen kann, und macht nicht einmal Halt vor Telefonaten der US-Außenminister. Sogar die Auswertungsmethoden des deutschen Dienstes sind denen der US- und der britischen Kollegen höchst verwandt. Wenn nicht – wie vermutlich im Falle der XKeyscore-Technologie – identisch. Die Frage ist auch, ob der BND den USA bei der Vorbereitung von Drohnenangriffen geholfen hat. Weiter in der Schwebe ist, ob Edward Snowden, der Mann, der alles ins Rollen gebracht hat, vor dem Ausschuss gehört wird. LINKE und Grüne bestehen darauf. Doch die Mehrheit im Ausschuss sieht auch in der Frage nur schwarz.

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