Die Unterschrift war nur ein Vorwand

Drei rumänische »Spendensammler« mussten sich vor dem Jugendschöffengericht wegen Betrugs verantworten

  • Lesedauer: 3 Min.
»Do you speak english?« Die Zielrichtung ist klar. Hier werden Touristen angesprochen, die die Masche noch nicht kennen. Das Jugendschöffengericht verhandelte gestern einen solchen Fall.

Drei junge Männer, rumänische Staatsbürger, sind des Betruges und des gewerbsmäßigen Diebstahls angeklagt. Der Trick ist nicht ganz neu, er funktioniert bei ausländischen Besuchern der Stadt, bei denen der Mitleidsfaktor etwas höher und das Geld etwas lockerer liegt. Die stressgeplagten Einheimischen machen meist einen großen Bogen um die »Spendensammler«. Mit selbstgefertigten Listen eines nicht existierenden »Landesverbandes behinderter und taubstummer Kinder« zogen sie zwischen 2012 und 2014, bis sie geschnappt wurden, über den Alex, durchstreiften die Friedrichstraße nach potenziellen Opfern.

Denen hielten die Täter - immer in größerer Gruppe und mit wechselnder Beteiligung - die selbstgebastelten Spendenlisten unter die Nase. Wer nur unterschrieb, dem wurde nachdrücklich klar gemacht, dass eine solidarische Unterschrift allein nicht ausreicht. Auf die Geldspende komme es an. Fragten die Spendenwilligen etwas gründlicher nach, wurden die Spendeneintreiber ausgesprochen ruppig. Aus der freundlichen Bitte wurde die ultimative Forderung.

In einigen Fällen war der Spendenwunsch nur ein Vorwand. Einer verwickelte das Betrugsopfer in ein intensives Gebärdengespräch, ein anderer durchsuchte die Taschen. Wurde man fündig, übergab der zweite Täter die Beute, Geldbörsen oder Mobiltelefone, blitzschnell an einen dritten. In Sekunden war der Spuk vorbei. In einem Fall wurden die »Spendensammler« ausgesprochen rabiat. Sie zwangen einen Mann, der in der Friedrichstraße 50 Euro von einem Geldautomaten abheben wollte, unter Androhung von Schlägen noch eine Null ranzuhängen und verschwanden mit der Beute. Die »gespendeten« und geraubten Gelder wurden untereinander aufgeteilt.

Zwei 20-jährige Täter sind, wie es die Richterin formulierte, nach Roma-Sitte verheiratet. Sie wurden mit 16 Jahren von ihren Eltern verheiratet. Der dritte im Bunde ist nach deutschem Gesetz verheiratet. Vor Monaten kamen sie nach Deutschland, weil sie sich hier mehr Chancen auf ein menschenwürdiges Leben versprachen. Wozu ist man schließlich in der EU? Da sollte doch jeder Bürger die gleichen Lebensbedingungen haben - dachten sie. Dass sie hier - ohne Ausbildung, ohne Wohnung, ohne eigenes Einkommen und ohne der deutschen Sprache mächtig zu sein - keine Chance haben würden, hat ihnen im fernen Südrumänien niemand gesagt.

Die drei gestehen die Taten und hoffen so auf eine milde Strafe. Die Untersuchungshaft seit Juni hat Spuren hinterlassen. Sie wollen nie wieder ins Gefängnis und bereuen ihre Raubzüge. Nie wieder werden sie eine Straftat begehen, beteuern sie über ihre Rechtsanwälte. Das hilft den Opfern allerdings wenig, denn das Geld ist weg. Inwieweit die Reue echt ist, lässt sich nur schwer einschätzen. In jedem Fall fördern kriminelle »Spendensammler« an deutschen Stammtischen die Vorbehalte gegen Ausländer aus Osteuropa.

Mit Bewährungsstrafen zwischen einem Jahr und 1,7 Jahren, die zur Bewährung ausgesetzt werden, dürften sie wohl noch am gestrigen Abend das Gefängnis verlassen haben. Wie es jedoch mit ihnen weitergeht, steht in den Sternen. Denn die Masche läuft weiter, an die Stelle der drei jungen Männer treten andere.

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