»Es geht nicht um Machterhalt«

Jüngste Landtagsabgeordnete Isabelle Vandré (LINKE) zur Sondierung von Rot-Rot

  • Lesedauer: 3 Min.
Isabelle Vandré, Jahrgang 1989, ist Landessprecherin der Linksjugend solid. Seit der Landtagswahl am 14. September ist sie die jüngste aller 88 Landtagsabgeordneten und einer von fünf Neulingen in der Linksfraktion. Über Forderungen und Wünsche der Linksjugend solid für einen möglichen Koalitionsvertrag mit der SPD sprach mit ihr Andreas Fritsche.

Frau Vandré, sind Sie angesichts des Verlusts von 8,6 Prozent für die LINKE bei der Landtagswahl am vergangenen Sonntag trotzdem prinzipiell für die Fortsetzung der rot-roten Koalition?

Ich bin nicht »prinzipiell« für Rot-Rot. Das kann ich so nicht sagen. Denn Politik ist ja nicht dazu da, die Macht zu erhalten. Es kommt auf die ganz konkreten Inhalte an. Wenn sich zentrale linke Forderungen in Verhandlungen mit der SPD durchsetzen lassen, dann bin ich für die Fortsetzung der rot-roten Koalition, andernfalls nicht.

Welche Forderungen wären das?

Wir als Linksjugend wünschen uns fünf wichtige Aussagen in einem Koalitionsvertrag. Erstens möchten wir eine Entwaffnung des Verfassungsschutzes...

Was heißt das?

Unser Ziel ist die Abschaffung des Verfassungsschutzes, weil wir Geheimdienste ablehnen. Da wir wissen, dass sich der Verfassungsschutz nicht sofort auflösen lässt, verlangen wir Kürzungen und mehr öffentliche Kontrolle. Außerdem soll dem Verfassungsschutz die Bildungsarbeit untersagt werden. Er soll sich aus Schulen und Jugendclubs fernhalten und dort keine wie auch immer gearteten Informationsveranstaltungen durchführen.

Und sonst.

Zweitens müssen die inklusiven Gemeinschaftsschulen kommen. Wir wollen die Gymnasien mittelfristig abschaffen, damit nicht mehr nach der sechsten Klasse aussortiert wird, wer welchen Bildungsweg gehen darf. Die Schüler müssen länger gemeinsam lernen dürfen. Es müssen nach unserer Ansicht im Laufe der Legislaturperiode mehrere Pilotschulen starten. Die Lehrerausbildung und die Ausbildung von Schulpsychologen und Sozialarbeitern sollen auf die Gemeinschaftsschule ausgerichtet werden.

Die übrigen drei Forderungen?

Wir haben im Jugendwahlprogramm einen fahrscheinlosen Öffentlichen Personennahverkehr vorgeschlagen. Ein kostenloser ÖPNV soll allen Menschen Mobilität ermöglichen, weil dies die Grundlage für Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ist. Rot-Rot soll die schrittweise Einführung eines derartigen ÖPNV durch Fördermittel anschieben. Als allerersten Schritt fordern wir die Abschaffung der Elternbeiträge für die Schulbusse. Auch Auszubildende sollen kostenlos zur Berufsschule und zur Arbeit fahren dürfen. Viertens wünschen wir uns die Legalisierung weicher Drogen, die nicht mehr verteufelt werden sollen. Die Freigrenze für den straffreien Besitz von Marihuana soll angehoben werden.

Es fehlt nach Ihrer Zählung noch ein Punkt. Welcher?

Der fünfte Punkt betrifft die Braunkohle. Wir verlangen im Koalitionsvertrag eine klare Formulierung, dass es keine neuen Tagebaue und keine neuen Braunkohlekraftwerke geben wird.

Beziehen Sie sich dabei noch auf den Tagebau Welzow-Süd II?

Nein, dafür ist es leider zu spät. Wir wollen aber beispielsweise einen Neubau des Kraftwerks Jänschwalde und einen Aufschluss des geplanten Braunkohletagebaus Jänschwalde-Nord verhindern.

Falls diese fünf Forderungen nicht erfüllt sind, dann würden Sie bei dem Mitgliederentscheid, den die LINKE für den Fall eines Koalitionsvertrags angekündigt hat, gegen eine rot-rote Regierung stimmen?

Das kann ich definitiv nicht sagen, ob ich Rot-Rot ablehnen würde, wenn ich eine der Forderungen nicht wiederfinde. Das hängt für mich vom Gesamtpaket ab. Da müsste ich das Für und Wider abwägen. Am 11. und 12. Oktober wird solid eine Mitgliederversammlung durchführen. Da wäre das Ergebnis der Verhandlungen von SPD und LINKE zu beraten, um unseren Genossen eine Empfehlung für den Mitgliederentscheid auszusprechen.

Finden Sie nicht, dass Sie unmöglich zu nehmende Hürden für eine rot-rote Koalition aufstellen?

Nein, wir können selbstbewusst mit unseren Forderungen auftreten. Wir müssen dies sogar tun angesichts des katastrophalen Wahlergebnisses.

Wenn Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) dieses Interview liest, muss er sich da nicht sagen: »Die Landtagsabgeordnete Isabelle Vandré wäre bei Abstimmungen im Parlament eine unsichere Kantonistin, Rot-Rot hätte dann nur noch zwei Stimmen Mehrheit.« Muss er da nicht besser mit der CDU koalieren?

Nicht wenn er sozialdemokratische Politik machen möchte.

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