Erfolgreiches Gefecht gegen den Waffenhandel

Internationaler Vertrag kann in Kraft treten und schafft völkerrechtliche Barriere, lässt aber auch noch Lücken

  • Wolfgang Kötter
  • Lesedauer: 4 Min.
Nach 53 Ratifikationen kann der Weltvertrag zur Begrenzung der internationalen Waffentransfers zum Jahresende in Kraft treten.

Am UN-Hauptsitz in New York haben am Donnerstag Argentinien, die Bahamas, Bosnien-Herzegowina, Portugal, St. Lucia, Senegal, Tschechien und Uruguay ihre Ratifikationsurkunden übergeben. Damit sind die Voraussetzungen zum Inkrafttreten des Weltvertrages zur Begrenzung der internationalen Waffentransfers (Arms Trade Treaty - ATT) erfüllt und das Abkommen wird am 24. Dezember völkerrechtlich bindend.

»Heute können wir mit Genugtuung dem Tag des Inkrafttretens dieses historischen Vertrages entgegensehen«, begrüßte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon dieses Ereignis. »Jetzt müssen wir für seine wirksame Erfüllung arbeiten und seine Universalität anstreben, damit die Regelung der Rüstungen - wie in der UN-Charta gefordert - ein für allemal Realität wird.«

Nach fast siebenjährigen streckenweise äußerst kontroversen Verhandlungen hatte die UN-Vollversammlung den Vertrag im April vergangenen Jahres mit einer Mehrheit von 154 Staaten angenommen. 23 Staaten enthielten sich, darunter auch die beiden führenden Rüstungsexporteure Russland und China. Bisher haben den Vertrag 121 Regierungen unterschrieben. Die ungewöhnlich hohe Zahl in so kurzer Zeit zeugt von der weltweit breiten Zustimmung zu völkerrechtlichen Beschränkungen des internationalen Waffenhandels.

Die Bundesrepublik hat den Vertrag am 2. April 2014 ratifiziert. Aber ihre Rüstungsexportpolitik trifft auf harte Kritik und auch innenpolitisch zeigen die kontroversen Debatten über Rüstungsexporte ein zwiespältiges Bild. Umfragen zufolge unterstützen nur etwa ein Drittel der Bundesbürger Waffenlieferungen ins Ausland. Über die Hälfte der Befragten lehnen dies ab.

Deutschland liegt in der weltweiten Statistik der Waffenexporte auf Platz drei hinter den USA und Russland. Auf insgesamt 5,846 Milliarden Euro und damit um 24 Prozent hat die Regierung die Ausfuhrgenehmigungen allein bei Großwaffen im vergangenen Jahr gesteigert. Insgesamt erteilte die Bundesregierung 2013 mehr als 17 000 Einzelgenehmigungen für den Export von Rüstungsgütern. Im Jahr zuvor waren es 900 weniger.

Mit 3,6 Milliarden Euro ist der Wert der Genehmigungen an Länder, die weder zur EU noch zur NATO gehören, gegenüber 2012 von 55 auf 62 Prozent aller Lieferungen und damit auf ein Rekordniveau gestiegen. Zu den Empfängerländern zählen unter anderen Ägypten, Algerien, Indonesien, Irak, Katar, Pakistan und Saudi Arabien - Länder, die in Krisenregionen liegen und in denen die Wahrung der Menschenrechte nicht gewährleistet ist.

Darüber hinaus erreichte Deutschland laut Rüstungsexportbericht des Wirtschaftsministeriums beim Export von Kleinwaffen einen neuen Höchststand. Allein 2014 hat die Bundesregierung Lieferungen im Wert von 135 Millionen Euro ermöglicht - eine Steigerung von 43 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. »Für die steigenden Rüstungsexporte Deutschlands und anderer EU-Staaten gibt es keine friedenspolitische Rechtfertigung«, urteilen die führenden deutschen Friedensforschungsinstitute in ihrem Jahresgutachten 2014. »Rüstungsexporte in Spannungsgebiete und Lieferungen von Waffen und Überwachungstechnologien an autokratisch regierte Staaten sind ein Skandal.«

Der Waffenhandelsvertrag setzt erstmals in der Geschichte globale Normen für den weltweiten Handel mit konventionellen Waffen, dessen jährliches Volumen auf 85 Milliarden Dollar geschätzt wird. Er verbietet Waffenlieferungen, wenn diese zu Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen beitragen. Der Vertrag regelt den Handel mit Großwaffensystemen wie Kampfpanzern und gepanzerten Fahrzeugen, schweren Artilleriegeschützen, Kampfflugzeugen und -hubschraubern, Kriegsschiffen, Raketen beziehungsweise Raketenwerfern. Außerdem werden Kleinwaffen wie etwa Mörser und Minen, Sturmgewehre und Maschinenpistolen, Revolver und Handgranaten erfasst. Von den Mitgliedstaaten werden ebenfalls nationale Bestimmungen für den Handel mit Munition und Ersatzteilen verlangt.

Zu Recht würdigen Menschenrechtsorganisationen, denen ein großes Verdienst an seinem Zustandekommen gebührt, den Vertrag als einen historischen Erfolg. Doch bieten Defizite, Ausnahmeregeln und rechtlich unverbindliche Kann-Bestimmungen des Abkommens auch Anlass zur Kritik. Diese Schwächen betreffen vor allem die Artikel zum Geltungsbereich des Vertrages, die Kriterien für die Genehmigung bzw. das Verbot von Rüstungsexporten, sowie die Vorschriften zur Umsetzung und Überwachung der Vertragsbestimmungen wie auch fehlende Sanktionsmöglichkeiten.

Das Abkommen ist also keineswegs perfekt. Aber es ist ein Anfang, um das weltweite Geschäft mit Tötungsinstrumenten völkerrechtlich zu regulieren. Das bedeutet zwar noch keine reale Rüstungsreduzierung, könnte aber in bewaffneten Auseinandersetzungen und täglicher Gewalt Hunderttausenden Menschen Leben und Gesundheit erhalten.

Nun wird es darauf ankommen, dass möglichst viele weitere Staaten dem Vertrag beitreten, seinen Inhalt mit Leben erfüllen und sich für seine konsequente Auslegung und gewissenhafte Einhaltung einsetzen. Den politischen Willen vorausgesetzt, könnte die Konferenz der Mitgliedstaaten in der Folgezeit Schwachstellen nachbessern und eine strikte Vertragseinhaltung einfordern.

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