Unternehmer wollen Arbeitsrecht aushebeln

In Frankreich gehen die Verbände in die Offensive

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Der neue unternehmerfreundliche Kurs der französischen Regierung lässt die Wirtschaftsverbände in die Offensive gehen.

Am Donnerstag haben die wichtigsten Unternehmerverbände und Gewerkschaften Frankreichs Verhandlungen in Paris über eine »Modernisierung der Regeln des Sozialen Dialogs in den Unternehmen« aufgenommen. Die Regierung hatte den Sozialpartnern eine Frist bis Ende des Jahres gesetzt, um zu einer Einigung zu kommen. Ansonsten werde der Soziale Dialog per Gesetz geregelt.

Vor allem geht es um die Vorschriften für die Wahl von Belegschaftsvertretern sowie um zusätzliche Abgaben und Verpflichtungen, sobald die Unternehmen eine bestimmte Zahl von Mitarbeitern überschreiten. So muss vom zehnten Mitarbeiter an in eine zentrale Kasse für Weiterbildung eingezahlt werden, vom elften Mitarbeiter an müssen Belegschaftsvertreter gewählt werden, die unkündbar und zeitweise von der Arbeit freizustellen sind, und vom 50. Mitarbeiter an ist ein Betriebskomitee zu bilden, das Anrecht auf ein Büro und andere Firmenleistungen hat.

Diese »Schwellen« wirken wegen der damit verbundenen Kosten als Wachstumsbremse, kritisieren die Unternehmerverbände. Sie fordern den Gesetzgeber auf, die Regeln abzuschwächen und künftig nur noch einen Rahmen vorzugeben, während die Details in Verhandlungen innerhalb der Branchen oder der einzelnen Unternehmen ausgehandelt werden. Offenbar meinen die Verbände, dass sie dort stärker ihren Einfluss geltend machen können als auf nationaler Ebene.

Bei dieser Gelegenheit wollen die Unternehmerverbände auch gleich ganze Teile des Arbeitsrechts aushebeln, das sie als »nicht mehr zeitgemäß« bezeichnen. Es hindere die Unternehmen an der Schaffung neuer Arbeitsplätze, betonen sie an die Adresse der Regierung gewandt, für die der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit Priorität hat. In einem internen Positionspapier, das innenpolitisch Wellen schlägt, listet der führende Unternehmerverband Medef auf, was seiner Meinung nach zu ändern sei. Über die Anhebung der »Sozialen Schwellen« hinaus will der Verband die 35-Stunden-Woche abschaffen, den Mindestlohn SMIC sowie die Regelungen für Nacht- und Sonntagsarbeit durch Ausnahmeregeln lockern und gleich noch einige gesetzliche Feiertage streichen. Als Ersatz für unbefristete Beschäftigungsverhältnisse und angesichts der gesetzlichen Schranken für den Rückgriff auf Zeitarbeit sollten »Projektarbeitsverhältnisse«, wie sie im Bauwesen üblich sind, für alle Branchen zugelassen werden. Wenn all diese Ideen umgesetzt werden, könnten mittelfristig eine Million neuer Arbeitsplätze geschaffen werden, versucht der Unternehmerverband Medef die Regierung zu locken.

Ex-Präsident Nicolas Sarkozy, der kürzlich in die Politik zurückgekehrt ist, hat auf seinem ersten Meeting als Kandidat für den Vorsitz der rechten Oppositionspartei UMP eine Idee beigesteuert, die in dieselbe Richtung weist. Er will im öffentlichen Dienst die Kosten senken und die Produktivität steigern, indem die Beamtenstellen auf Lebenszeit durch Drei-Jahres-Verträge abgelöst werden, die beliebig oft erneuert werden können - »wenn dafür der Bedarf und die Mittel vorhanden sind«.

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