Cui bono?

Benser zu Unrechtsstaat

  • Lesedauer: 2 Min.

Verlautbarungen aus den Koalitionsverhandlungen zwischen Linkspartei, SPD und Grünen in Thüringen entfachten eine neue kontroverse Diskussion über die DDR. In einem dem »nd« vorliegenden Papier bezeichnet Günter Benser, Mitglied der Historischen Kommission beim Parteivorstand der Linkspartei, die Bezeichnung der DDR als »Unrechtstaat« als eine verkürzte Sicht auf die Geschichte.

Der Geschichtsprofessor, 1989 bis 1992 Direktor des Instituts für Geschichte der Arbeiterbewegung in Berlin, warnt vor » juristisch und historisch unhaltbaren Behauptungen«. »Unrechtsstaat« sei, so auch vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages bestätigt, ein nicht definierter und nicht definierbarer Begriff aus dem Vokabular politischer Agitation. »In den gegen DDR-Juristen (Richter und Staatsanwälte) geführten Prozessen sind in der Regel Urteile wegen «Rechtsbeugung» oder «Rechtsüberdehnung» gefällt worden. Wie geht das, wenn es gar kein Recht gibt?«, fragt Benser. Das Rechtssystem der DDR sei mehr als politisches Strafrecht gewesen, betont der Historiker und fragt sodann: »Sind Parteien tatsächlich berechtigt, Vereinbarungen zu treffen, wie mit Geschichte umzugehen ist? Und was haben diese für einen Wert, wenn sich Bürger nicht vorschreiben lassen, wie sie über die Vergangenheit zu denken haben?«

Die Initiatoren der kritikwürdigen Formulierungen wüssten zweifellos, dass unter den Entscheidungsträgern der Linkspartei niemand die repressiven Seiten der DDR wieder herstellen möchte. »Sie könnten auch wissen, dass nirgendwo so intensiv über die eigene Geschichte debattiert und publiziert wird, wie im Umfeld der Linken. Warum werden dennoch dem mit Abstand größten potenziellen Koalitionspartner solche Demutsgesten abverlangt?« Günter Benser mutmaßt, dass ein Keil in die Mitgliedschaft und Wählerschaft der Linken getrieben werden soll. nd

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