Nazi-Hasssänger im Richterdienst?

Bayerns Justizminister kündigt Prüfung und gegebenenfalls Entlassung an

  • Rudolf Stumberger, München
  • Lesedauer: 4 Min.
Ein Amtsrichter mit Neonazi-Vergangenheit steht in Bayern offenbar vor seiner Entlassung. Einst soll er seine Zeit als Sänger von rechtsradikalen Bands verbracht haben.

Im Fall eines Amtsrichters mit möglicherweise rechtsextremem Hintergrund hat Bayerns Justizminister eine gründliche Prüfung und mögliche Konsequenzen bis hin zur Entlassung angekündigt. »In bayerischen Roben ist kein Platz für Extremisten«, so Staatsminister Winfried Bausback (CSU) gestern auf einer Pressekonferenz in München. Gleichzeitig befürwortete er eine erneute Einführung der Regelanfrage beim Verfassungsschutz, wie sie im Zuge des Radikalenerlasses in Bayern bis 1991 Praxis war. Die SPD hat inzwischen im bayerischen Landtag einen Dringlichkeitsantrag zur Aufklärung der Vorwürfe eingebracht.

Dabei geht es um den 28-jährigen Richter Maik B. am Landgericht im oberfränkischen Lichtenfels. Dieser ist dort seit rund einem Jahr als Richter auf Probe tätig und kam mit einem hervorragenden Examen frisch von einer Berliner Universität nach Bayern. Inzwischen wurde jedoch durch Presseberichte bekannt: Der Richter habe eine Vergangenheit als Neonazi. Als Frontmann der rechtsextremistischen Band »Hassgesang« soll er Lieder mit volksverhetzenden und rassistischen Texten gesungen haben, zwei Alben der Band landeten auf dem Index.

Laut Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg soll er zudem als Hintermann des 2012 verbotenen rechtsextremistischen Vereins »Widerstandsbewegung Südbrandenburg« fungiert haben und wegen Körperverletzung aufgefallen sein. Ein Sprecher des brandenburgischen Innenministeriums sagte laut dem Bayerischen Rundfunk, B. sei seit 2003 »praktisch jährlich im Verfassungsschutzbericht mit Erwähnung aufgetaucht«. Der Mann sei »ein aktiver Neonazi, tief in der Wolle gefärbt, mit nationalen und internationalen Kontakten.«

Als B. Anfang dieses Jahres nach Franken zog, habe man die Kollegen vom Bayerischen Verfassungsschutz »umgehend darüber informiert«. Das wird von der Behörde auch bestätigt, man habe aber keinen Hinweis auf eine angestrebte Tätigkeit im Öffentlichen Dienst gehabt.

Die CSU nutzt jetzt diesen Fall, um zumindest für angehende Richter und Staatsanwälte die Regelanfrage beim Verfassungsschutz wieder zum Thema zu machen, sowohl Justizminister Bausback wie Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sprachen sich für eine Wiedereinführung aus. Gleichzeitig verteidigte Bausback die jetzige bayerische Praxis, Bewerbern für den Öffentlichen Dienst einen Fragebogen zur Verfassungstreue vorzulegen und nach Mitgliedschaften in »extremistischen oder extremistisch beeinflussten« Organisationen zu fragen. Linke Gruppierungen waren es in erster Linie, darunter auch die PDS und später die Linkspartei, die sich in der Vergangenheit gegen diese Praxis wehrten, durch die sie sich in eine extremistische Ecke gestellt sahen.

Im Falle des Lichtenfelser Richters kündigte der bayerische Innenminister für Dienstag ein Gespräch des Beschuldigten mit dem Präsidenten des Oberlandesgerichts Bamberg zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen an. Außerdem habe das Ministerium noch am letzten Donnerstag, nachdem die Beschuldigungen bekannt geworden waren, eine Stellungnahme des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz angefordert. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, so Bausback, sei aber klar: »Die Ernennung eines Richters kann unter gewissen Voraussetzungen zurückgenommen werden, insbesondere wenn er bei der Einstellung wesentliche Dinge nicht offenbart hat.« Dazu gehöre das Verschweigen einer extremistischen Vergangenheit. Sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, werde man die notwendigen Konsequenzen ziehen.

Franz Schindler, rechtspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, hatte am Montag einen Dringlichkeitsantrag in den Landtag eingebracht und fordert darin umgehend Konsequenzen: »Da im bayerischen Justizdienst kein Platz für Rechtsextremisten sein kann, muss der Betreffende, falls sich die Vorwürfe bestätigen, unverzüglich entlassen werden!« Rechtsexperte Schindler will von den bayerischen Behörden unter anderem wissen, wann der Verfassungsschutz vom Umzug des mutmaßlichen früheren Sängers einer Neonazi-Band erfuhr, ob der Mann beobachtet wurde und ob bekannt war, dass er sich für den Justizdienst in Bayern beworben hatte. Zudem verlangt Schindler Auskunft über eventuelle einschlägige Hinweise in den Personalakten.

Im Brandenburgischen Verfassungsschutz von 2012 wird die Neonaziband »Hassgesang« in einer Liste mit Bands wie »Frontfeuer« oder »Himmelfahrtskommando« aufgeführt. In ihren Texten heißt es etwa »Adolf Hitler, im Kampf für unser Land, Adolf Hitler, sein Werk verteufelt und verkannt« oder »Jeden Tag das selbe, es raubt mir den Verstand, Seh ich Juden, wie sie morden im fremden Land.« Im Internet findet sich ein älterer Eintrag, wonach »Hassgesang« im Wesentlichen aus einer Person existiere, die »in Berlin Jura studiert«.

Die »Widerstandsbewegung in Südbrandenburg« ist eine Neonaziorganisation, die seit 2012 verboten ist - wegen ihrer »Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus« und »aktiv-kämpferischen Vorgehens gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung«, wie es in der Mitteilung des Brandenburgischen Innenministeriums hieß.

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