Zwischen Wackelpudding und Notfallnanny

Senat zeichnet die drei familienfreundlichsten Unternehmen der Stadt aus

Berlin zeichnet jährlich seine familienfreundlichsten Unternehmen aus. Wer Spitzenkräfte halten und neue gewinnen will, muss sich beim Thema Kinderbetreuung extrem gut vernetzen.

Als sich der Fahrstuhl in der vierten Etage in der Backfabrik an der Prenzlauer Allee öffnet, grüßt ein lila Wackelpudding mit Augen von der Holzwand gegenüber. Was im ersten Augenblick aussieht wie das Kinderparadies einer schwedischen Möbelhauskette, entpuppt sich schnell als Büroetage des Berliner Spieleentwicklers Wooga. Inmitten dieses Kreativkosmos aus Holzschreibtischen und bunten Chill-Out-Bereichen arbeiten 260 Menschen an Ideen für mobile Apps, die sich Jelly Splash, Diamond Dash oder Monsters World nennen. In diesem Jahr gehört das Start-Up zu den Gewinnern des Landeswettbewerbs »Unternehmen für Familie. Berlin 2014«, der von der IHK und der Handwerkskammer Berlin sowie dem DGB und dem Berliner Beirat für Familienfragen vergeben wird.

»Wer Spitzenkräfte für sein Unternehmen gewinnen will, der muss sich auch in Sachen Vereinbarkeit von Familie und Beruf stark engagieren«, sagt Thomas Härtel, Vorsitzender des Berliner Beirats für Familienfragen bei der Vorstellung der Gewinner am Montag. Insgesamt erhielten drei Unternehmen, nach ihrer Größe gruppiert, die Auszeichnung.

Wooga, ein Unternehmen, in dem kaum ein Mitarbeiter über 40 Jahre alt ist, fährt dabei ein besonders umfangreiches Betreuungsangebot für junge Familien auf. Wer neu nach Berlin kommt, kann in den ersten sechs bis acht Wochen in einer Firmenwohnung unterkommen. Eltern bekommen ein Willkommenspaket für ihr Neugeborenes mit Strampler und Gutschein für die ersten Windelpakete. Falls die Großeltern als Babysitter kurzfristig ausfallen, arbeitet Wooga mit einem Notfall-Service im Internet zusammen, den Eltern bis zu einem bestimmten Kontingent nutzen können. Alleinerziehende bekommen doppelt so viele Stunden gutgeschrieben. Das Unternehmen kooperiert außerdem mit den Fröbel-Kitas und hat bei Einrichtungen vor allem in Mitte und Friedrichshain Belegplätze reserviert. Zusätzlich bekommen Mitarbeiter einen Betreuungskostenzuschuss für ihren Kitaplatz und die Arbeitszeiten im Unternehmen sind flexibel geregelt. »Wir arbeiten hier nach Vertrauenszeit«, erzählt Josefine Botha, Mitarbeiterin bei Wooga, die gerade Mutter geworden ist. »Keiner steht mit der Stempeluhr hinter dir oder guckt böse, wenn du dein Kind mal eine Stunde früher von der Kita abholen musst«, sagt sie. Im Internet haben sich Eltern vernetzt, tauschen Babysachen und Spielzeug. Das Rundum-sorglos-Paket, das Wooga seinen MitarbeiterInnen bieten kann, ist aber längst nicht für alle Firmen umsetzbar. »Gerade bei kleineren Unternehmen ist es wichtig, dass sie sich mit anderen zusammentun«, sagt Thomas Härtel und verweist auf ein Unternehmensnetzwerk in Neukölln, das eine eigene Kita nutzt.

Der Bedarf an Plätzen wird dabei bis mindestens 2016 nicht sinken, prognostiziert der Senat. Allein im letzten Jahr lebten fast 4000 unter sechs Jährige mehr in der Stadt als noch 2012. Dabei stehen für den Neubau von Kitas, besonders in der Innenstadt, immer weniger Grundstücke zur Verfügung und um die wird wegen des angepeilten Wohnungsneubaus von bis zu 5000 Wohnungen pro Jahr heftig gebuhlt. Im aktuellen Doppelhaushalt stehen 18 Millionen Euro für das Landesprogramm Kita-Ausbau zur Verfügung, zwei Millionen weniger als im letzten.

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