Demonstranten fühlen sich hintergangen

Hongkongs Polizei räumte wichtigstes Protestlager / Zweifel am Dialogwillen von Regierungschef Leung

  • Joanna Chiu und 
Stephan Scheuer, Hongkong
  • Lesedauer: 2 Min.
Die Fronten in Hongkong sind verhärtet. Der Regierungschef machte den Demonstranten erst ein Gesprächsangebot. Dann ließ er eines ihrer Lager räumen. Dies ruft Radikale auf den Plan.

Die Räumung eines Hauptprotestlagers in Hongkong durch die Polizei hat den Konflikt zwischen Regierung und Demonstranten weiter geschürt. Nur Stunden nach seinem Gesprächsangebot habe Hongkongs Regierungschef Leung Chun-ying die Polizei losgeschickt, kritisierten Mitglieder der Occupy-Bewegung in einer Mitteilung. »Das lässt an der Ernsthaftigkeit des Angebots zum Dialog zweifeln.« Radikale Demonstranten kündigten als Reaktion auf die Räumung die Errichtung weiterer Barrikaden in der Innenstadt an.

Polizisten hatten in den frühen Morgenstunden des Freitag die Absperrungen in dem belebten Geschäftsviertel in Mong Kok auf der Halbinsel Kowloon entfernt und die Besetzung wichtiger Verkehrsstraßen beendet. Zu größeren Zwischenfällen kam es nicht. Die Polizei ging aber nicht gegen die verbliebenen Protestlager in Admiralty und Causeway Bay auf der Insel Hongkong vor, in denen die meisten Demonstranten ausharren.

Ein Ende der bislang schwersten Krise seit mehr als zehn Jahren in Hongkong ist damit nicht in Sicht. Rund 200 Demonstranten organisierten zwischenzeitlich einen Sitzstreik. Radikalere kündigten neue Besetzungen in der Innenstadt für die kommenden Tage an. Das Bündnis der Demonstranten appellierte jedoch, die Polizei nicht mit weiteren Aktionen zu provozieren.

Viele Demonstranten stellten den Vermittlungsversuch durch Regierungschef Leung infrage. Die Regierung wollte ursprünglich kommende Woche mit den Protestierenden über die Wahlen im Jahr 2017 diskutieren. Der Regierungschef hatte sich zwar dialogbereit gezeigt, allerdings keine Zugeständnisse bei der zentralen Forderung der Demonstranten gemacht, die Kandidaten für die Abstimmung frei zu bestimmen. Er argumentierte, nur die Zentralregierung in Peking habe die Macht, die Rahmenbedingungen für die Wahl festzulegen.

Die Protestvereinigung sah darin eine Ausrede des Regierungschefs. »Das ist ein irreführendes Argument«, hieß es weiter in der Occupy-Mitteilung. Die Regierung müsse sich auf ernst gemeinte Gespräche auf Augenhöhe einlassen. dpa

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