Wenig los an den Bahnhöfen

Streikeindrücke zwischen Berlin und Hannover

Zwei Polizisten schlendern fast wie Flaneure durch den Berliner Hauptbahnhof. »Es ist nicht viel los«, meint einer der beiden. Der Streik der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) zeigt am Samstagmorgen Wirkung. Der S-Bahnsteig ist verwaist. Einzig an der Information bilden sich lange Schlangen. Einige Leute wirken nervös, weil man mit Regionalzügen nicht weit kommt. Die Anschlussmöglichkeiten fallen fast überall aus. Immerhin gibt es für die Wartenden Kaffee und Mineralwasser gratis.

»Wir streiken ja nicht, sondern die Lokführer«, sagt eine junge Frau am Getränkewagen, den sie normalerweise an den Sitzreihen in den Zügen vorbeischiebt. Der Notfahrplan der Deutschen Bahn wirkt improvisiert. Nur stündlich fährt ein ICE nach Westdeutschland. Rucksacktouristen steigen in den Schnellzug und Familien mit Kindern; aber viele reservierte Plätze bleiben leer. Niemand muss auf dem Gang sitzen. Als sich der Zug mit 240 Stundenkilometern durch die Landschaft schiebt, scheint der bundesweite Streik der Lokführer schon bald weit weg zu sein.

Zumal die Bahn sich nach Kräften um Normalität bemüht. Der Zugbegleiter sagt mit leicht brüchiger Stimme die Speisekarte des Bordrestaurants durch: Klopse mit Kapernsoße. Die Schaffnerin erweist sich kulant und erkennt Wochenendtickets im ICE an, die eigentlich nur im Regionalzug gelten. Bei der Ankunft in Hannover hallen die nächsten Reisemöglichkeiten über den Bahnhof: ein ICE nach Zürich, eine S-Bahn nach Hildesheim. Mehr fährt nicht. Die Bahnsteige sind beinahe menschenleer. Ein Kind füttert die Tauben.

In der Passarelle, der Einkaufspassage am Bahnhof, dagegen herrscht der übliche Trubel, wenn Hannover 96 ein Heimspiel hat. Ein paar Männer grölen lauthals »Hurra, hurra, die Gladbacher sind da«, als sie aus einem ankommenden Zug steigen. Hunderte Gladbach-Fans sind trotz des Streiks mit dem Zug in die niedersächsische Landeshauptstadt angereist.

Ein Mann vom DB-Service zeigt einer Frau die nächste Verbindung nach Celle. Er hat Verständnis für den Ausstand: »Lokführer tragen eine ähnlich große Verantwortung wie Piloten. Aber sie bekommen viel weniger Geld.« Auch er ist gewerkschaftlich organisiert - nicht in der GDL, sondern in der Eisenbahnergewerkschaft EVG. Den Streik sieht er aber auch kritisch. »Besser wäre es, wenn alle Mitarbeiter durch eine Gewerkschaft vertreten würden«, meint er. Vorerst hilft er dabei mit, den Bahnverkehr aufrecht zu erhalten.

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