Hauptsache zurück nach Afrika

Geht die Heimat nicht, dann schiebt die Ausländerbehörde eben irgendwo anders hin ab

  • Astrid Schäfers
  • Lesedauer: 4 Min.
Ali Mohamed soll zurück nach Afrika, verlangt die Ausländerbehörde. Egal wohin, und darum kümmern soll er sich selbst.

Am Dienstag muss Ali Mohamed, der in der Gerhart-Hauptmann-Schule in der Ohlauer Straße lebt, mit einem Flugticket in irgendeinen afrikanischen Staat bei der Ausländerbehörde vorsprechen. »Die Behörde hat zu mir schon 2005 gesagt: Suchen Sie sich einen Staat aus, in den Sie ausreisen werden, zum Beispiel Ghana, Nigeria oder Kamerun«, erzählt der 51-Jährige, der vor 19 Jahren vor dem Krieg im Sudan zunächst nach Libyen und Italien floh. Da die sudanesische Botschaft die Staatsbürgerschaft Ali Mohameds lange nicht bestätigen konnte, suchte die Ausländerbehörde nach Alternativen für seine Abschiebung in andere afrikanische Länder.

»Weil es schwer und langwierig ist, für den Sudan Abschiebepapiere zu bekommen, ist es offensichtlich für die Behörden einfacher, mit anderen Botschaften zu kollaborieren«, kommentiert der Aktivist Dirk Stegemann vom Oranienplatz das Vorgehen der Behörde, »auf Teufel komm raus Abschiebepapiere zu beschaffen«. Die Ausländerbehörde ignoriere Mohameds Angaben zu Italien und dem Sudan, um ihn schneller und einfacher abschieben zu können. Ihre Vorgehensweise sei rassistisch und kolonialistisch, »weil Menschen pauschal und unabhängig ihrer Herkunft, nach äußeren Merkmalen in Länder eingestuft werden, die Abschiebepapiere ausstellen, wie zum Beispiel Nigeria«.

Nach Mohameds Rückkehr aus Spanien, wo er keinen Job mehr finden konnte, stellte seine Anwältin 2013 einen Asylfolgeantrag auf Duldung - der vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge abgelehnt wurde. Sein zwölfjähriger Aufenthalt in Europa lässt sich jetzt nur noch an einem dünnen Papier ablesen: der Grenzübertrittsbescheinigung, die die Ausländerbehörde Ali Mohamed ausstellte, als sie ihm im September den vorläufigen Duldungsausweis wegnahm. Bei einer Anhörung in der sudanesischen Botschaft im Juni 2014 hatte Ali Mohamed gesagt, er sei Sudanese. Die Botschaft konnte dies allerdings wegen des Fehlens einer Geburtsurkunde und eines Passes nicht belegen, teilte aber der Bundespolizei mit, Ali Mohamed sei Sudanese. Laut Ausländerbehörde liegen dieser inzwischen Ausreisepapiere der sudanesischen Botschaft vor.

Nach seiner Rückkehr aus Spanien zog Ali Mohamed zunächst in die ehemalige Schule in der Ohlauer Straße in Kreuzberg ein und lebte dort, bis er über Kontakte zum Oranienplatz seine derzeitige Rechtsanwältin fand. Auf ihren Antrag auf ein Asylfolgeverfahren hin bekam er im Januar 2014 vom Landesamt für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) einen Schlafplatz in dem Asylheim in der Haarlemer Straße in Südneukölln zugewiesen. Das Wohnen dort war allerdings auch nur von kurzer Dauer: Bereits im September erhielt Ali Mohamed einen Brief, er müsse das Heim verlassen. Nun zog er wieder in die Kreuzberger Schule.

Seine erste Station in Deutschland war das Abschiebegefängnis in Köpenick. Das war 2003. »In dem Gefängnis bin ich krank geworden und hatte eine Thrombose. Daraufhin wurde ich in ein Krankenhaus gebracht und freigelassen. Ich habe dann meinen ersten Asylantrag gestellt und in Asylheimen in Marienfelde und Spandau gelebt. Als mein Antrag auf Asyl 2005 abgelehnt wurde, machte ich mich auf den Weg nach Spanien«, erzählt der Sudanese bedrückt und beginnt, sich eine Zigarette zu drehen. Seine Augen sehen müde aus. An seiner linken Backe ist eine kleine Wölbung zu sehen, ein gutartiger Tumor, stellte eine Ärztin fest, die Flüchtlinge behandelt, die keine Krankenkassenkarte besitzen und vom deutschen Sozialsystem ausgeschlossen sind. Laufen kann er seit der Thrombose auch nur noch schlecht. Immer noch hat er Schmerzen in dem Bein. Das Leben in der Gerhart-Hauptmann-Schule setzt ihm ebenfalls zu. »Es gibt wahnsinnig viel Unruhe dort.« Jeden Tag komme die Polizei und verhafte jemanden. »Und sie haben uns gesagt, dass wir die Schule in wenigen Tagen verlassen müssen«, sagt er besorgt. »Jetzt auch noch die Abschiebung. Ich habe keine Kontakte mehr in den Sudan. Auch zu meinen Eltern habe ich den Kontakt verloren«, fügt er hinzu.

1995 ist Ali Mohamed aus seiner Heimatstadt Ad-Damazin im Südsudan geflüchtet. Damals herrschte Krieg, seine Frau und seine Zwillinge kamen um. Bis heute sind dort kriegerische Konflikte an der Tagesordnung. »2011 sind 35 000 Menschen aus meiner Heimatstadt geflohen, weil es dort wieder zu Gefechten kam«, erzählt Ali Mohamed. Es brachen Kämpfe zwischen sudanesischen Streitkräften und Anhängern der Partei zur Befreiung des Sudans Sudan People's Liberation Movement (SPLM) des regierenden Gouverneurs Malik Agar des Bundesstaates Blauer Nil aus. Präsident Umar-Al-Baschir entließ daraufhin Agar und ernannte General Yahia Mohammed Kheir zum Gouverneur. Seit der Unabhängigkeit des Südsudans vom Rest des Landes 2012 regiert in diesem Staat nun erneut die Partei SPLM mit Hilfe einer eigenen Armee. Die Lage ist weiterhin angespannt.

Mit Abschiebungen in den Sudan verstößt Deutschland gegen die Genfer Flüchtlingskonvention. In der ist festgeschrieben, dass Menschen nicht in Länder abgeschoben werden dürfen, in denen sie Menschenrechtsverletzungen wie Folter und Mord ausgesetzt sind. »Wer Menschen in den Sudan abschiebt und behauptet, die Lage dort sei sicher, geht bewusst realitätsfern vor und ist Teil einer unmenschlichen und lebensgefährlichen Abschiebepraxis«, sagt Aktivist Stegemann. So wie bei Ali Mohamed.

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