Ab wann müssen Kinder für Eltern zahlen?

Elternunterhalt

  • Lesedauer: 4 Min.
Immer wieder gibt es rechtliche Unsicherheiten hinsichtlich der Unterhaltspflicht für pflegebedürftige Eltern. Wie ist hier die Rechtslage?

Wenn die Eltern nicht mehr alleine zurechtkommen, gibt es oft nur eine Lösung: Die Unterbringung in einem Pflegeheim. Aber das ist sehr teuer. Viele Senioren können die Kosten nicht selbst tragen.

Sofern die Rente nicht reicht und private Vorsorge fehlt, springt zunächst das Sozialamt ein. Dann verlangt der Staat die Kosten von den Angehörigen zurück. Wer in diesem Fall mit welchen Forderungen rechnen muss, darüber informiert nachfolgend die D.A.S. Rechtsschutzversicherung.

2,5 Millionen Senioren auf Hilfe angewiesen

Der Anteil der Menschen, die im Alter in ein Heim umziehen müssen, steigt rapide. Denn viele Familien sind heutzutage nicht mehr in der Lage, die Versorgung der pflegebedürftigen Eltern selbst zu Hause zu bewältigen. Schon jetzt sind in Deutschland 2,5 Millionen Senioren auf Hilfe angewiesen. Etwa jeder Dritte von ihnen erhält vollstationäre Pflege in einem Heim.

Aber hierfür fallen hohe Kosten an - im Schnitt 3300 Euro im Monat. Die Pflegekasse deckt nur einen Bruchteil davon ab. Eine Pflegezusatzversicherung hilft hier. Doch im Ernstfall drohen Rechnungen, die leicht Tausende Euro ausmachen können. Fehlen dem Betroffenen die Mittel, müssen die Angehörigen womöglich dafür geradestehen.

Nur wer leistungsfähig ist, muss zahlen

Falls der Pflegebedürftige keine ausreichend hohe Rente bezieht und auf private Vorsorge verzichtet hat, hilft ihm das Sozialamt. Der Staat trägt die Differenz, aber nur vorerst.

Denn der Staat wendet sich an die Familie, um die Leistungen zurückzufordern. Unterhaltspflichtig sind laut § 1601 des Bürgerlichen Gesetzbuches Verwandte in gerader Linie. Das betrifft also die Kinder, auch adoptierte und nichteheliche, nicht jedoch Stiefkinder.

Hat der Pflegepatient mehrere Kinder, müssen alle etwas beisteuern.

Zahlungspflichtig ist aber nur, wer leistungsfähig ist. Bei Angestellten kommt es auf das Nettogehalt an, bei Selbstständigen auf den Gewinn. Belastungen wie Krankenversicherung, Raten für bestimmte Kredite, wie etwa einen Hauskauf, oder Beiträge zur Altersvorsorge lassen sich bei der Berechnung des relevanten Einkommens abziehen. Einen bestimmten Freibetrag von der so errechneten Summe darf der Staat nicht antasten. Er beträgt bei Alleinstehenden 1600 Euro; für den Ehepartner kommen abhängig von den ehelichen Lebensverhältnissen mindestens 1280 Euro dazu. Von allem, was über diesen Selbstbehalt hinausgeht, können die Ämter rund die Hälfte verlangen.

Auch das Geld auf dem Sparkonto ist nicht sicher

Auch die Ersparnisse der unterhaltspflichtigen Kinder bleiben nicht verschont. Sicher vor dem Zugriff des Staates ist nur das sogenannte Schonvermögen. Hier gibt es keine klaren Freibeträge, sondern es kommt auf den Einzelfall an.

So werden zum Beispiel angesparte Rücklagen für wichtige Anschaffungen - wie etwa ein neues Auto für den Beruf - zum Schonvermögen gerechnet. Auch für die private Altersvorsorge und die Instandhaltung einer selbst genutzten Immobilie darf Geld zurückgelegt werden.

Für die Altersvorsorge gilt nach einem Beschluss des Bundesgerichtshofes (Az. XII ZB 269/12): Grundsätzlich darf jeder fünf Prozent des Jahresbruttoverdienstes sparen.

Ein Rechenbeispiel: Wer im Jahr 50 000 Euro verdient, darf 2500 Euro zurücklegen. Nach zehn Jahren kämen so 25 000 Euro zusammen, auf die die Pflegekassen keinen Zugriff hätten. Hat der Nachkomme Beträge auf dem Konto, die das Schonvermögen übersteigen, muss er den überschüssigen Betrag für den Elternunterhalt abgeben.

Um selbst genutzte Immobilien müssen die meisten Betroffenen dagegen nicht fürchten: Einem Urteil des Bundesgerichtshofs (Az. XII ZB 269/12) zufolge darf der Staat nicht fordern, dass die Angehörigen Haus oder Wohnung verkaufen - zumindest nicht, solange sie für die Lebensverhältnisse der Betreffenden »angemessen« und nicht übertrieben luxuriös sind. Allerdings dürfen die Ämter das Wohnen im Eigenheim als geldwerten Vorteil in die Berechnung des Einkommens einfließen lassen. Wer zur Miete wohnt, kann die Warmmiete einkommensmindernd geltend machen.

Selbst enterbte Nachkommen sind unterhaltspflichtig

Wie das Verhältnis zu den Eltern ist, spielt beim Thema Unterhalt keine Rolle. Selbst, wenn sie den Kontakt zu ihren Kindern abgebrochen und sie enterbt haben, kann der Staat die Kinder noch zur Kasse bitten, wie der Bundesgerichtshof im Februar 2014 (Az. XII ZB 607/12) entschied. Nur »schwere Verfehlungen«, etwa Vernachlässigung im Kindesalter, können zum Verlust der Ansprüche führen.

Tipp: Die Unterlagen frühzeitig sammeln

In der Praxis erweist es sich oft als schwierig, den Behörden alle einkommensmindernden Kosten nachzuweisen. In vielen Fällen berücksichtigen die Ämter nicht alle Ausgaben. Daher lohnt es sich, einen Juristen einzuschalten, der die Bescheide prüft. Sinnvoll ist auch, sich früh zu informieren und alle Kosten für die eigene Lebenshaltung zu dokumentieren. Denn wenn die Eltern älter werden, kann schon ein Sturz oder eine Krankheit das plötzliche Ende der Selbstständigkeit bedeuten.

Michaela Zientek,

Juristin der D.A.S.

Rechtsschutzversicherung

Zum Elternunterhalt siehe auch nd-ratgeber Nr. 1137 vom 5. Februar 2014 und Nr. 1140 vom 26. Februar 2014.

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