Bedenken wegen Aufruf gegen Rechts

Thüringen: Kritische Fragen an Ministerin vor Gericht

  • Kai Budler
  • Lesedauer: 3 Min.

Thüringens Verfassungsgerichtshof zweifelt offenbar an der Rechtmäßigkeit eines Protestaufrufes von Sozialministerin Heike Taubert (SPD) gegen rechtsextremes Gedankengut anlässlich eines NPD-Parteitages. Das wurde am Mittwoch in Weimar bei der Verhandlung der NPD-Klage gegen Taubert deutlich.

Zur Vorgeschichte: Als die NPD in Thüringen auf ihrem Landesparteitag im März 2014 in Kirchheim ihre Kandidatenlisten für die Landtagswahl aufstellen wollte, wurde sie von lauten Protesten vor dem Gebäude begleitet. Rund 100 Gegendemonstranten waren dem Aufruf des örtlichen Bündnisses gegen Rechts gefolgt, den auch Sozialministerin Taubert unterstützt hatte.

Auf der Homepage ihres Ministeriums hatte Taubert kurz vorher eine Medieninformation veröffentlicht und erklärt: »Wenn die Demokratie gefährdet, Toleranz missachtet und unsere Weltoffenheit aufs Spiel gesetzt werden, dann müssen wir dagegen gemeinsam etwas tun.« Zudem rief sie die Thüringer auf: »Zeigen Sie Rassismus und Intoleranz die rote Karte.« Die NPD hatte daraufhin eine Unterlassungserklärung beantragt, weil die Ministerin ihrer Neutralitätspflicht nicht nachgekommen sei. Weil die Sozialdemokratin die Erklärung abgelehnt hatte, reichte die NPD eine Organklage am Verfassungsgerichtshof ein.

In der mündlichen Verhandlung über die Reichweite von Äußerungsbefugnissen von Regierungsmitgliedern erklärte der NPD-Anwalt Peter Richter aus Saarbrücken, der Aufruf habe »Wahlkampfcharakter«. Schließlich sei Taubert bei den Landtagswahlen selbst als Spitzenkandidatin der SPD angetreten. Als Teil der Verwaltung habe sie ausdrücklich den Landesparteitag ins Visier genommen, zu Lasten der NPD in den Wahlkampf eingegriffen und das verfassungsrechtlich verbriefte Grundrecht der Parteiengleichbehandlung verletzt.

Taubert erklärte, ihre Äußerungen tangierten keinesfalls die Rechte der NPD. Sie berief sich vor dem Hintergrund des laufenden NPD-Verbotsverfahrens auf das Prinzip einer wehrhafte Demokratie. Bei einer verfassungsfeindlichen Ideologie und den verbreiteten Inhalten dürfe auch sie als Ministerin Handlungsmöglichkeiten aufzeigen und Bürger zu einer angemeldeten Kundgebung aufrufen. Wegen der Ressortverteilung sei sie zudem für das Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit und den dort verankerten Kampf gegen Rechtsextremismus zuständig. Teil davon seien ausdrücklich Proteste wie der Kirchheim und die Aufrufe dazu.

Weil bislang konkrete Kriterien fehlen, um zu erörtern, ob die Äußerungen der Ministerin wirklich in die Chancengleichheit der NPD eingreifen, könnte die Causa Taubert in Weimar zum Präzedenzfall werden. Ein Vergleich mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zu den Äußerungen von Bundespräsident Gauck, der NPD-Anhänger als »Spinner« bezeichnet hatte, greift bei der Thüringer Sozialministerin wohl nicht. Die »weitreichende Redefreiheit«, die das Gericht Gauck bescheinigt hatte, gilt bei der aktuellen Klage der NPD gegen Taubert nicht. Auch die zahlreichen Fragen der Richter ließen Bedenken an der Argumentation der Ministerin und des Vertreters der Landesregierung erkennen. So sagte ein Verfassungsrichter, es sei dem Gremium bislang noch unklar, inwieweit Taubert mit diesem Aufruf wirklich zwischen der Partei und rechtsextremem Gedankengut habe unterscheiden wollen. Ein Urteil wird am 3. Dezember erwartet. (mit dpa)

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal