Behördenchaos in Nepal

Schwere Vorwürfe nach Schneesturmtragödie

  • Pratibha Tuladhar und
Doreen Fiedler, Kathmandu
  • Lesedauer: 2 Min.

Hätte die Tragödie im Himalaya mit mindestens 40 Toten verhindert werden können - etwa mit Wetterberichten auf den Hütten? Wäre es möglich gewesen, mehr Menschen zu retten - wenn die Behörden schneller reagiert hätten? Diese Fragen treiben viele Wanderer und Bergsteiger um, die in der vergangenen Woche eines der schlimmsten Bergunglücke in der Geschichte Nepals erlebten.

Roland Feil aus München war am Berg Chulu West (6419 m), als der Sturm kam. Sofort kehrte er um. Durch den tiefen Schnee stapfte er zum Höhencamp auf der Annapurna-Runde. Das Höhencamp (4850 m), in dem im Oktober zur Hauptwanderzeit täglich mindestens hundert Menschen schlafen, besteht aus Steinhäusern und hat ein Satellitentelefon. «Es gäbe also die Möglichkeit, nach dem Wetterbericht zu fragen. Das hat aber niemand gemacht. Der Hüttenwirt hat weder ein Frühwarnsystem noch Infos über das Wetter.» Vorwürfe erhebt auch der Brite Paul Sherridan, der an jenem verhängnisvollen Morgen mit seinem Bergführers aufbrach. «Wir wurden von einem sicheren Ort in einen Ort voller Gefahr und Tod gebracht», sagt der 49-jährige Polizist. Viele Trekkingführer sähen von dem Geld, das die Touristen an die Agenturen zahlten, kaum etwas. Sie seien nicht ausgebildet, gingen mit Stoffschuhen und ohne Handschuhe los.

Auch lokale Beamte meinen, es sei zu spät und nicht umfassend reagiert worden. Ein Zuständiger in der Unglücksregion sagt, die Regierung habe ewig gebraucht, ehe sie sich zu einer Entscheidung habe durchringen können. «Wir haben sofort die Zentrale angerufen, aber die haben einfach keine Helikopter geschickt», sagt der Mann. Das Innenministerium versprach, in Zukunft Wetterdaten zur Verfügung zu stellen.

«Unsere Bürokratie reagiert nicht zeitnah, da die Beamten nicht verstehen, wie es vor Ort aussieht», erzählt Bergführer Suren Gurung. Eines der Probleme, sagen Eingeweihte in Kathmandu, sei das Kastensystem: Die meisten Beamten und Politiker gehörten zur höchsten Kaste der Brahmanen, während die Träger und Führer der Touren zu den Stammesvölkern gehören. «Es sind also nicht ihre Familienmitglieder, die in den Bergen sterben», sagt eine Frau.

Der Münchner Feil ging vier Tage nach dem Sturm über den schneebedeckten Thorung-Pass. Dort traf er auf das nur fünfköpfige Suchteam - das ihn und alle anderen, die ihm aus dem Höhencamp folgten, zwangen, per Armeehelikopter ins Tal zu fliegen. Feil ließ vielen den Vortritt; dann kam der Helikopter nicht mehr. «Wir haben mehr als zwei Stunden in der Kälte gewartet, während die da unten Mittagspause gemacht haben. dpa

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