nd-aktuell.de / 01.11.2014 / Wissen / Seite 26

Fußboden mit Gefühl

Sensoren melden Stürze, Einbrecher und Wasserschäden.

Eckart Roloff

Die Technologie steckt unsichtbar im Fußboden, sie ist bezahlbar und ohne störende Geräte«, verspricht eine Broschüre des Darmstädter Fraunhofer-Instituts für Graphische Datenverarbeitung. Es geht um »ein preisgünstiges und einfach zu wartendes System«.

Und was preist die Abteilung »Interaktive Multimedia Appliances« da so an? Ein System namens »CapFloor«, einen Fußboden mit Gefühl. Haarfeine, aber robuste Drähte und Sensoren liegen unter dem Bodenbelag. Das System registriert die Bewegungen aller, die sich darauf befinden. Es kann sogar zwischen Stehen, Sitzen und Liegen unterscheiden. Das diene vor allem der Sicherheit, verspricht das Institut.

Einige Beispiele: Der empfindliche Boden merkt, wenn er betreten wird. Etwa von einem Einbrecher. Steigt er scheinbar unbemerkt ein, lösen die Sensoren Alarm aus. Oder wenn jemand stürzt. Oder aus dem Bett will und das Licht anschalten möchte - dann wird es hell. »Öffnet sich ein Fenster, obwohl niemand da ist, kann die Software einen Einbruchsversuch annehmen und Alarm schlagen«, erläutert Tobias Große-Puppendahl gegenüber »nd«. Es soll nicht mehr lange dauern, bis es diesen Allround-Helfer gibt: »Mitte 2015 wollen wir ihn in Kooperation mit einer Firma auf den Markt bringen«, so Abteilungsleiter Reiner Wichert.

Die Grundlage der Innovation ist ein Gitter aus einfachen Drähten, das zum Beispiel unter dem Parkett oder Teppich verläuft. Diese Drähte umgibt ein sehr schwaches elektrisches Feld. Bewegt sich darauf jemand, ändert sich das Feld. »Für die Gesundheit ist das risikolos«, so die Erläuterung. »Während Touchpads in Laptops mit Spannungen von bis zu 20 Volt arbeiten, nutzt CapFloor nur etwa 1,5 Volt.«

So einfach das Drahtgeflecht wirkt, so ausgetüftelt ist die dazu jahrelang entwickelte Software. Die Tests dazu laufen »sehr positiv«, merkt Große-Puppendahl an. Er erwartet, dass »das fertige Produkt auch für Normalverdiener erschwinglich sein wird«. Bei einem Pilotprojekt bekommen gegenwärtig über 30 Wohnungen für Demenzkranke diese Technik.

Zurück zum Alarm. Wohin wird er gemeldet? Je nach Wunsch löst CapFloor über die Haustechnik eine Sirene aus. Ebenso kann es eine leise Warnung an ein Smartphone oder an einen Sicherheits- und Pflegedienst senden. Möglich ist durch weitere Komponenten auch die Verbindung mit dem Schaltschrank eines Gebäudes, etwa mit der Licht- und Heizungssteuerung. Die Folge: Betritt eine Person einen Raum, wird das Licht eingeschaltet. Geht sie hinaus, wird es gelöscht.

»Zudem fährt automatisch die Raumheizung herunter«, so Wichert, »wenn sich längere Zeit niemand dort aufhält.« Er nennt weitere Funktionen, darunter Warnmeldungen per SMS. Wenn Kinder nachts aus dem Bett steigen oder wenn sich im Haus länger nichts mehr bewegt hat, der Herd aber noch an ist. Oder wenn Fenster, die geschlossen sein sollten, offen stehen. Bleibt jemand regungslos liegen, weil er womöglich bewusstlos ist, blinkt das Licht. Schaltet er es nicht aus, setzt der Alarm an vorher benannte Stellen ein.

Damit nicht genug der Anwendungen. Die Sensorik reagiert auch, wenn Wasser auf dem Boden steht oder überhaupt zu viel Feuchtigkeit das Feld der Sensoren stört. Auch das löst Signale aus. Zudem erfasst CapFloor bei einem Brand, ob im Raum Menschen sind. So lässt sich gezielt nach ihnen suchen.

Die Darmstädter sprechen gern vom »intelligenten« Fußboden. Man mag streiten, ob der gewiss attraktive Begriff Intelligenz hier passt. Richtig ist, dass die Entwicklungen aus Darmstadt sinnvoller sind als ein Kühlschrank, der genau weiß, wann wir Hunger nach welchen Lebensmitteln haben.