nd-aktuell.de / 01.11.2014 / Politik / Seite 15

Zu Besuch im Tal des Zuglärms

Tag für Tag lärmen Hunderte Züge durch das enge Mittelrheintal. Diese für viele unerträgliche Situation hat sich nun Bundesumweltministerin Hendricks angeschaut.

St. Goarshausen. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) hat sich dafür ausgesprochen, Güterzüge in lärmgeplagten Regionen wie dem Mittelrheintal notfalls per Tempolimit auszubremsen. Geschwindigkeitsbeschränkungen kämen dann infrage, wenn bis 2016 nicht die Hälfte der Güterwaggons der Deutschen Bahn mit leiseren Bremsen ausgerüstet sei, sagte die Ministerin am Freitag in St. Goarshausen. »Es ist uns bewusst, dass das eine besonders lärmgeplagte Region ist«, fügte sie mit Blick auf das Mittelrheintal hinzu.

Um den Bahnlärm wie geplant bis 2020 deutlich zu verringern, sei diese Umrüstung wichtig. Die Kosten für alle Waggons der Deutschen Bahn würden auf rund 300 Millionen Euro geschätzt, der Bund übernehme davon 150 Millionen. »Das sollte Anreiz genug sein, dass die DB AG das auch tut«, betonte Hendricks.

Eine Verringerung des Zuglärms sei auch deswegen unumgänglich, weil der Bahnverkehr in den kommenden Jahren weiter zunehmen werde, sagte Hendricks - etwa wegen der Fertigstellung des Gotthard-Tunnels in der Schweiz. »Es ist dringlich, dass wir vorankommen.« Der rheinland-pfälzische Verkehrsminister Roger Lewentz (SPD) sagte, das Problem sei im wahrsten Sinne nicht zu überhören.

Willi Pusch, Vorsitzender der Bürgerinitiative im Mittelrheintal gegen Umweltschäden durch die Bahn, sagte, langfristig müsse der Schienengüterverkehr aus dem Tal verschwinden. Wünschenswert sei eine Alternativtrasse. Binnen 24 Stunden würden etwa 600 Züge durch das Tal rattern, davon rund 400 Güterzüge, die einen Lärm von bis zu 110 Dezibel produzierten. »Die Loreley ist nur optisch ein Genuss, akustisch erleben wir eine Katastrophe«, sagte Pusch.

Das Bürgernetzwerk Pro Rheintal überreichte Hendricks eine Prognose eines Epidemiologen zu Krankheitsfällen in der Region wegen des Bahnlärms bis 2021. Die genauen Ergebnisse sollen bald in Berlin vorgestellt werden. Seit Jahren werde über rostige Güterwagen, Flüsterbremsen und darüber geredet, was man der Bahn nicht zumuten könne, sagte Pro-Rheintal-Sprecher Frank Gross. »Doch wir sprechen nicht darüber, wie viele Menschen krank werden und durch Bahnlärm versterben.«

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Peter Bleser forderte Rheinland-Pfalz auf, Lärmschutzmaßnahmen mitzufinanzieren. Der Beirat »Leiseres Mittelrheintal« hatte vor kurzem Vorschläge erarbeitet. »Die Umsetzung der Maßnahmen erfordert rund 80 Millionen Euro. Das Land muss hier Flagge zeigen und einen adäquaten finanziellen Beitrag leisten«, sagte Bleser. In dem Gremium sitzen Vertreter des Bundesverkehrsministeriums, der Bahn, der Länder Rheinland-Pfalz und Hessen, Abgeordnete sowie Bürgerinitiativen. dpa/nd