nd-aktuell.de / 07.11.2014 / Politik / Seite 7

Das Misstrauen saß mit am Tisch

Konfliktparteien in Burkina Faso einigten sich auf einjährige Übergangsphase

Stefan Lombé, Ouagadougou
Nach dem Sturz von Präsident Compaoré haben sich die Konfliktparteien in Burkina Faso auf eine einjährige Übergangsphase geeinigt. Danach, im November 2015, soll es Wahlen geben.

Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in einem Jahr, Rückkehr zur Verfassung und ein Zivilist an der Spitze einer Übergangsregierung: So sieht der Fahrplan für Burkina Faso aus, eine Woche nach Beginn der Straßenrevolte, die zum Sturz des seit 27 Jahren herrschenden Präsidenten Blaise Compaoré geführt hatte. Seitdem leitet Oberstleutnant Isaac Zida, die Nummer zwei der Präsidentengarde, gestützt auf das Militär die Macht in dem westafrikanischen Land.

Der 49-jährige Zida hat sich in den vergangen Tagen durch Umsicht ausgezeichnet. Seit Montag hat er Sondierungsgespräche mit fast allen einflussreichen Machtkomponenten des Landes geführt: Politiker des Kongresses für Demokratie und Fortschritt (CDP), der Partei des bisherigen Präsidenten, waren ebenso darunter wie Oppositionelle, Vertreter der Zivilgesellschaft, Religions- und Stammesführer.

Schnell reagierte der Oberstleutnant auch auf die drängende Forderung aus dem In- und Ausland, die Macht so bald wie möglich in die Hand eines Nichtmilitärs zu übergeben. »Das wird geschehen«, wiederholt Zida gebetsmühlenartig. Doch wann, ließ er bislang offen.

Zwei Wochen hat ihm die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (Cedeao) dafür Zeit gegeben. Sollte dann kein Wechsel vollzogen sein, werde es Sanktionen geben. Kanada hat als erster internationaler Partner schon jetzt seine Entwicklungshilfe für Burkina Faso eingestellt, eines der ärmsten Länder der Welt.

Die Cedeao ihrerseits bemüht sich, den Prozess zu begleiten. Die eingangs angeführten Beschlüsse sind Ergebnis eines Verhandlungsmarathons, das unter Führung des aktuellen Cedeao-Präsidenten und Staatsoberhauptes von Ghana, John Dramani Mahama, erzielt wurde. Aber auch hier: Nichts konkretes für die nächsten Tage. Wer wird die Verfassung wieder aktivieren? Wer wird der Zivilist sein, der Zida für die Übergangszeit ablösen soll? Wann wird das passieren? Selbst Mahama blieb vage: »Eher binnen Tagen als Wochen« werde eine Übergangsregierung gebildet, sagte er noch in Burkina Fasos Hauptstadt Ouagadougou, bevor er zum Sondergipfel der Cedeao-Staaten in Ghanas Hauptstadt Accra flog. Dort stehen Ebola und die Situation in Burkina Faso als aktuelle Krisenherde auf der Tagesordnung.

Wie gereizt die Stimmung in Burkina Faso ist, machten die Turbulenzen deutlich, die beinahe zum Abbruch der Gespräche geführt hätten. Oppositionsführer und Vertreter der Zivilgesellschaft empörten sich über die Anwesenheit von CDP-Abgeordneten. »Wir weigern uns, am selben Tisch mit den Leuten zu sitzen, die auf die Bevölkerung geschossen haben«, erregte sich Bénéwendé Sankara, einer der Oppositionsführer. »Wir haben noch nicht einmal unsere Toten beerdigt, und schon sollen arrogante Menschen wieder ins Amt geholt werden, die das Volk verachtet haben«, so Luc Marius Ibriga, Sprecher der zivilgesellschaftlichen Gruppen. Erst nach 20 Minuten kamen sie in den Verhandlungssaal zurück.

Derartiges Misstrauen scheint nicht übertrieben. Zu vieles bleibt unklar in den politischen Manövern, die sich seit dem Amtsverzicht und der Flucht von Blaise Compaoré in die Elfenbeinküste (Côte d'Ivoire) am Freitag ereignet hat. Ob es tatsächlich einen Umschwung gibt und ob die Burkiner darüber selbst frei und ohne fremden Einfluss entscheiden können, ist alles andere als sicher. Zida zumindest ist kein Neuanfang - zu nah stand er bis zum Umsturz am Präsidenten. Distanziert hat er sich von Compaoré nicht. Dass dieser überhaupt das Land so schnell verlassen konnte, ist auch der Militärführung zu verdanken.

Und Frankreich. Mittlerweile hat der französische Staatspräsident François Hollande zugegeben, die Flucht Compaorés ermöglicht zu haben. Mit Huschraubern, Flugzeugen und in enger Zusammenarbeit mit Burkina Fasos Militär, wie die Zeitschrift »Jeune Afrique« schreibt. Der neue Machthaber, wer immer es sein wird, dürfte auch Jahrzehnte nach Ende der Kolonialzeit auf den Segen aus Paris angewiesen bleiben.