nd-aktuell.de / 15.11.2014 / Politik / Seite 4

Schwarze Null mit Konjunkturrisiko

Haushaltsausschuss des Bundestags beschließt Schlussvariante des Etats 2015 - Opposition sieht Tricksereien

Kurt Stenger
Die Regierung feiert ihren Bundeshaushalt 2015 als »historisch«. Die wirtschaftlichen Realitäten könnten ihr einen Strich durch die Rechnung machen.

Auch nach Jahrzehnten des Stellenabbaus soll mit den Kürzungen im Öffentlichen Dienst nicht Schluss sein. Gegenüber dem Haushalt 2014 verringert sich der Personalbestand des Bundes im kommenden Jahr noch mal um gut 1100 auf rund 248 400 Stellen. Dabei war die Mitarbeiterzahl schon vorher gegenüber dem Höchststand 1992 um mehr als ein Drittel verkleinert worden. 2015 soll es 50 000 Stellen weniger beim Bund geben als vor der Wiedervereinigung allein in Westdeutschland.

Der weitere Personalabbau bringt zwar nur kleine Summen für den Bundeshaushalt 2015 - angesichts eines Gesamtbudgets von 299,1 Milliarden Euro. Aber viel Kleinmist trägt eben auch dazu bei, dass die Große Koalition die symbolträchtige Schwarze Null geschafft hat, zumindest auf dem Papier. Am Freitagmorgen gegen 3 Uhr verabschiedete der Haushaltsausschuss des Bundestags nach einer 14-stündigen Bereinigungssitzung mit der Mehrheit von Union und SPD das Zahlenwerk. Erstmals seit 49 Jahren kommt der Bund ohne neue Schulden aus. Die Regierungsparteien feierten sich dafür: »Mit der Vorlage eines Bundeshaushalts ohne neue Schulden und mit der zusätzlichen Investitionsoffensive schreibt die Große Koalition haushaltspolitische Geschichte«, erklärte etwa der haushaltspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Norbert Barthle. »Das Anwachsen des Schuldenberges ist gestoppt.«

In der Bereinigungssitzung wurden letzte Details des Regierungsentwurfs geklärt und verändert. So werden, wie die letzte Steuerschätzung ergab, die Einnahmen um 500 Millionen Euro niedriger ausfallen. Auch höhere Ausgaben etwa beim Arbeitslosengeld II und für das Elterngeld schlugen ins Kontor. Hinzu kamen zahlreiche weitere neue Ausgaben wie die Aufstockung des Entwicklungshilfeetats um 60 Millionen Euro, 113 Millionen für die Bundespolizei und 200 Millionen für den Neubau eines Museums der Moderne in Berlin. Um die Lücke von rund zwei Milliarden Euro gegenüber dem Entwurf von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zu stopfen, mussten die einzelnen Ministerien aber keine Kürzungen vornehmen. Stattdessen werden die Ausgaben beim Ladenhüter Betreuungsgeld erheblich niedriger veranschlagt, der Heizkostenzuschuss für arme Haushalte wird nun doch nicht wieder eingeführt. Den größten Zusatzbatzen (1,33 Milliarden Euro) bringen die noch niedrigeren Zinsausgaben für die Bundesschuld - wegen der anhaltenden Rezession in Euroland dürfte die EU-Zentralbank ihre expansive Geldpolitik länger als erwartet beibehalten.

Die Opposition freilich feiert nicht mit der Regierung. Die Linkspolitikerin Gesine Lötzsch, Vorsitzende des Haushaltsausschusses, spricht von »Obsession«. Die Besessenheit von Wolfgang Schäuble, als jener Bundesfinanzminister in die Geschichte einzugehen, dem der erste Bundeshaushalt mit einer Schwarzen Null gelang, ist ihr ein Dorn im Auge. Denn dieses Ziel verkomme zum Selbstzweck. Und es wird zu guten Stücken mit kalkulatorischen Mitteln erreicht. Roland Claus, der haushaltspolitische Sprecher der LINKEN, nennt es »Trickserei«. Sven-Christian Kindler, sein Kollege von den Grünen, erläutert, dass Defizite in Schattenhaushalten und Sozialkassen versteckt würden. Roland Claus spricht von einem »Haushalt der sozialen Spaltung« und resümiert: »Die Schwarze Null hat gewonnen, aber Deutschland hat verloren.« Und Gesine Lötzsch ergänzt, Deutschland habe bereits jetzt ein Investitionsprogramm nötig. Damit spielt sie auf das bereits verabredete Zehn-Milliarden-Euro-Paket für die Jahre 2016 bis 2018 an.

Dieses braucht es schon früher - um zu verhindern, dass die Wirtschaft weiter einbricht. Denn dies würde den Haushaltsplan 2015 zu Makulatur machen. So warnen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter im Verwaltungsrat der Bundesagentur für Arbeit, es fehlten Milliarden-Rücklagen, um im Fall einer Rezession auflaufende Defizite decken zu können. Ob die historische Schwarze Null tatsächlich gelingt, wird also erst Ende 2015 feststehen. Auch wenn der Bundestag wie erwartet den bereinigten Bundeshaushalt in der kommenden Woche endgültig verabschiedet.