nd-aktuell.de / 18.11.2014 / Berlin / Seite 11

Noch Ladehemmung bei Elektroautos

Erst 1800 Fahrzeuge sind in Berlin elektrisch unterwegs / Wettbewerb um Infrastruktur noch nicht entscheiden

Bernd Kammer
Für den Ausbau der Ladestationen will der Senat viel Geld ausgeben. Dabei könnte der Strom einfach aus der Straßenlaterne fließen.

Elektroautos kommen in Berlin nur schwer in Fahrt. Die Hauptstadt ist zwar eines der von der Bundesregierung ausgerufenen »Schaufenstern« für die Elektromobilität, doch auf den Straßen widerspiegelt sich das eher spärlich. Erst 657 Pkw mit Stromantrieb sind in Berlin zugelassen, dazu weitere 109 Nutzfahrzeuge, wie aus einer Antwort der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung auf eine Frage der LINKE-Abgeordneten Jutta Matuschek hervorgeht.

Die Zulassungszahlen seien allerdings nur ein unzureichender Indikator für die in Berlin tatsächlich betriebene Flotte an Elektrofahrzeugen, so die Senatsverwaltung. Flottenbetreiber wie zum Beispiel Carsharing-Unternehmen und Fahrzeughersteller setzten Fahrzeuge ein, die am Standort der Unternehmen zugelassen sind, also nicht in Berlin. Die Berliner Agentur für Elektromobilität (emo) schätzt daher, dass insgesamt etwa 1800 Fahrzeuge elektrisch durch die Stadt fahren, nur wenige davon gehören somit Privatleuten. Gemessen an der Zahl von etwa 1,3 Millionen Kraftfahrzeugen in Berlin, auch auf absehbare Zeit ein verschwindend geringer Anteil.

Dafür könnten Fahrer von E-Autos demnächst in die komfortable Situation kommen, dass pro Fahrzeug einen Ladestation zur Verfügung steht. Der Senat will ihre Zahl von derzeit etwa 400 auf bis zu 1600 Ende 2015 aufstocken. Bereits seit zwei Jahren läuft ein Ausschreibungsverfahren darüber, welches Unternehmen die öffentlich zugänglichen Ladesäulen errichten und betreiben darf. Ursprünglich sollte es schon längst feststehen, jetzt ist die Vergabe des Auftrags für Anfang Dezember angekündigt.

Bis zu sieben Millionen Euro Fördergelder winken dem Betreiber. Für Matuschek angesichts der geringen Zahl an E-Autos eine »viel zu hohe Summe«. Es sei nicht davon auszugehen, dass sich die Zahl in den nächsten Jahren merklich erhöht. »Die Vorstellungen des Senats, das 2020 rund 100 000 Elektroautos durch Berlin rollen, ist weit weg von der Realität«, so Matuschek. Der Senat hält dennoch an der Förderung der Ladeinfrastruktur fest, um »künftig eine größere Anzahl an Elektrofahrzeugen im Stadtgebiet betrieben sehen zu können«, wie es im schönsten Amtsdeutsch heißt. Mit Hilfe des Vergabeverfahrens solle eine »Vereinfachung und Erweiterung der Ladeeinrichtungen erfolgen«.

Ein Unternehmen, das eine besonders einfache Ladeeinrichtung anbietet, ist allerdings schon aus dem Rennen. Die Start-up-Firma Ubitricity hat Steckdosen entwickelt, die sich an Straßenlampen anbringen lassen und dann den Strom für die Autos liefern könnten. 300 Euro soll eine Steckdose kosten, eben soviel das Ladekabel, das der Autobesitzer selbst mitbringen muss. Im intelligenten Kabel sitzt auch der Stromzähler. Schließt der Autofahrer das Kabel an, werden die Daten wie Standort, Kunde und Strommenge per Internet übermittelt.

Der Senat hat Ubitricity aussortiert, weil er Zweifel an dessen Wirtschaftskraft hegte und »diskriminierungsfreie Angebote« sichern will. Mit seinen Lampen-Steckdosen hätte das Unternehmen aber eine Monopolstellung. »Wir sind dennoch optimistisch, das unsere Technologie zum Zuge kommt«, so Firmensprecherin Nina Keim. Außerhalb des Vergabeverfahrens darf das Unternehmen an 100 Straßenlampen seine Steckdosen erproben. Die ersten seien schon angebracht, zum Beispiel in der Tor- und Mollstraße in Mitte.