»Iran ist nicht Euer Freund, Iran ist Euer Feind«

Israel versucht mit allen Mitteln, eine Atomvereinbarung mit Teheran zu verhindern

  • Oliver Eberhardt, Tel Aviv
  • Lesedauer: 3 Min.
Israels Premierminister Netanjahu hat vor einem vorschnellen Atomdeal mit Iran gewarnt. Regierungspolitiker mahnen, das Land sei eine größere Bedrohung als die Terrormiliz Islamischer Staat.

Es war ein Ringen bis zur letzten Minute: Die Verhandlungsdelegationen hatten ihre Gespräche in der omanischen Hauptstadt Muskat bereits begonnen, als israelische Diplomaten noch immer versuchten, vor allem bei den europäischen Regierungen vorstellig zu werden und um »Besonnenheit« und »Zurückhaltung« zu werben - so die beiden Begriffe, die in diesen Tagen in israelischen Regierungskreisen immer wieder genannt werden, wenn es um die Verhandlungen über das iranische Atomprogramm geht.

»Iran ist nicht Euer Verbündeter. Iran ist nicht Euer Freund. Iran ist Euer Feind. Es ist nicht Euer Partner«, hatte Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu am Sonntag in der US-amerikanischen Politsendung »Face the Nation« gesagt. Iran habe sich »der Zerstörung Israels verpflichtet«, so Netanjahu. Zuvor hatte ihn Moderator Bob Schieffer gefragt, ob die USA mit Teheran zusammen arbeiten sollten, um die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zu bekämpfen.

Chronik

Im Atomstreit zwischen Iran und der internationalen Gemeinschaft suchen Unterhändler seit mehr als zehn Jahren nach einer Lösung.  

2003: Iran erklärt sich nach Verhandlungen mit den Außenministern von Großbritannien, Frankreich und Deutschland bereit, die Anreicherung von Uran und die Wiederaufbereitung von Brennstäben auszusetzen. Teheran unterzeichnet das Zusatzprotokoll zum Atomwaffensperrvertrag, das Inspekteuren der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA uneingeschränkten Zugang zu allen Atomanlagen des Landes erlaubt.  

2006: Iran nimmt die Urananreicherung wieder auf und setzt das Zusatzprotokoll aus. Der UN-Sicherheitsrat verhängt erste Sanktionen, später folgen weitere Strafmaßnahmen.  

2008: Kooperationsangebot der Vetomächte im UN-Sicherheitsrat USA, Großbritannien, Frankreich, Russland und China sowie Deutschlands (5+1); Teheran besteht weiter auf Urananreicherung für zivile Zwecke.  

2009: Bei neuen 5+1-Gesprächen stimmt Iran grundsätzlich der Möglichkeit zu, Uran im Ausland anzureichern. Nach Verstreichen einer von der IAEA gesetzten Frist gilt der mögliche Deal als gescheitert.  

2011: In Istanbul wird die Gesprächsrunde zwischen Iran und der 5+1-Gruppe auf unbestimmte Zeit vertagt. Erst nach über einem Jahr werden die Verhandlungen dort wieder aufgenommen. Weitere Treffen in Moskau und im kasachischen Almaty folgen.

September 2013: Am Rand der UN-Vollversammlung verhandelt Iran erstmals mit den 5+1-Staaten auf Ebene der Außenminister.  

Oktober 2013: In einer neuen 5+1-Runde erklärt sich Teheran bereit, die Urananreicherung zu begrenzen und die Atomanlagen einfacher kontrollieren zu lassen.  

November 2013: Neue Verhandlungen in Genf münden in eine Übergangslösung. Iran muss sein Atomprogramm zunächst für sechs Monate auf Eis legen. Dafür sollen Sanktionen gelockert werden.  

Januar 2014: Teheran ergreift erstmals seit fast einem Jahrzehnt überprüfbare Maßnahmen, um sein Atomprogramm in wichtigen Teilen zurückzufahren. Im Gegenzug lockern die USA und die EU erste Sanktionen.  

Februar 2014: Die 5+1-Gruppe und Teheran vereinbaren einen Vertrag bis zum 20. Juli, der die Sorgen des Westens vor einer iranischen Atombombe ausräumt.  

Juli 2014: Die Verhandlungen werden bis November verlängert.  

September 2014: Am Rande der UN-Vollversammlung, an der auch der iranische Präsident Hassan Ruhani teilnimmt, gibt es eine neue Verhandlungsrunde.  9./10. November: Bei einem Treffen von USA, EU und Iran in Maskat (Oman) steht erneut Teherans Urananreicherung im Mittelpunkt. Es endet ohne klares Ergebnis. Am 18. November treffen sich der Iran und die 5+1-Außenminister zur wohl entscheidenden Verhandlungsrunde in Wien. Bis zum 24. November wollen sie zu einer Einigung kommen. dpa/nd

Er hatte damit die größte Befürchtung in der aktuellen israelischen Politik angesprochen: Nicht nur die Regierungskoalition, auch viele Linke und selbst die arabischen Parteien und die palästinensische Regierung befürchten, dass die westlichen Staaten aus geopolitischen Gründen die Sorgen westlich des Jordans beiseite wischen und einen Deal mit Iran eingehen könnten, der sowohl Israel als auch Palästina unter ständige Bedrohung setzt. Am Rande eines Treffens mit Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hatte Netanjahu vor einem »vorschnellen Deal« gewarnt. Und in dieser Sache stimmen ihm viele zu. Denn noch Ende vergangener Woche hatte das geistliche Oberhaupt Irans, Ajatollah Ali Chamenei, zur Zerstörung Israels aufgerufen.

»Man darf nicht vergessen, dass Israelis und Palästinenser sehr, sehr eng beieinander wohnen«, sagt Palästinenserpräsident Mahmud Abbas: »Man muss auch in Erinnerung behalten, dass die iranische Regierung in der Vergangenheit immer wieder versucht hat, in die palästinensische Politik einzugreifen«, erklärt er mit Verweis auf die iranische Unterstützung für die Hamas. »Eine Stärkung der iranischen Position kann sich zwar für den Westen im Kampf gegen den Islamischen Staat kurzfristig als Vorteil erweisen. Langfristig könnte dies aber Palästina destabilisieren, wenn Iran seine Unterstützung für die Hamas wieder ausbaut.«

Die Sanktionen gegen Iran hatten dazu geführt, dass das Land seine Zahlungen an die Hamas bereits vor dem Stopp der Finanzflüsse über Ägypten im Frühjahr massiv einschränken musste. Die Hamas wurde nahezu zahlungsunfähig und musste sich ihrerseits am Ende mit der Fatah-Fraktion von Abbas einigen.

In Israel befürchtet man, dass Iran, sollten dem Land selbst begrenzte Anlagen für die Anreicherung von Uran zugestanden werden, diese nutzen könnte, um über kurz oder lang doch die Bombe zu bauen. Und dass eine solche Entwicklung dann auch anderswo Begehrlichkeiten wecken könnte: »Sollte Iran auch nur über eine Atombombe verfügen, würden auch Länder wie Ägypten und Saudi-Arabien eine haben wollen, weil sie sich dadurch bedroht fühlen«, sagen israelische Diplomaten. In einer Situation, in der sich die gesamte Region im Wandel, im Aufruhr befinde, der Islamische Staat reichlich Zulauf habe, auch außerhalb von Syrien und Irak Ableger bilde, sei das ein sehr bedenkliches Szenarium.

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