Kanzleramt als Türöffner der NSA

Wie die Telekom kalte Füße bekam und warum ein Deutscher kein Deutscher ist

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.
Der sogenannte NSA-Untersuchungsausschuss hatte am Donnerstag drei Zeugen geladen. Der erste war die insgesamt vier Stunden des öffentlichen Zuhörens wert, die anderen geheim.

Nein, während der gesamten öffentlichen Befragung sind die Namen Steinmeier, Uhrlau sowie Hanning nicht gefallen. Doch man sollte sie sich in Bezug auf den NSA-BND-Spionageskandal gut merken.

Diese Erkenntnis ist indirekt dem ersten Zeugen im NSA-Untersuchungsausschuss am Donnerstag zu danken. Stefan Burbaum wird nach der Befragung drei Kreuze gemacht haben, dass er am 9. Januar 2005 den Auslandsgeheimdienst BND in Richtung Bundesinnenministerium verlassen konnte. So hat er nur die Anfänge des wohl mengenmäßig größten Spionageskandals der Nachkriegszeit verspürt. Jurist Burbaum war in Pullach im Referat Technische Aufklärung und sollte als G10-Beauftragter dafür sorgen, dass beim Geheimdienst der Grundrechtsartikel 10 beachtet wird. Dabei geht es um das Fernmeldegeheimnis.

Will der BND in dieses Grundrecht eingreifen, muss er die technisch nicht versierte Altherrenriege namens G10-Kommission einspannen. Egal, ob es um die weltraumgestützte Kommunikation oder die kabelgebundene geht, nicken die G10-Opas, ist jeder deutsche Kommunikationsanbieter zur BND-Mitarbeit verpflichtet. So werden vom Provider Datenströme beispielsweise in Lichtleiterkabeln »gedoppelt«. Schon am Telekommunikationsstandort stehen BND-Rechner, die Daten nach Nützlichkeit sortieren. Wie einst Aschenputtel Erbsen.

Angeblich filtert man auch alle Daten von Deutschen heraus, weil die den BND nichts angehen. Dass es dabei in Wahrheit viele Schlupflöcher gibt, zeigte die Debatte um »Funktionsträger«. Konstruiertes Beispiel: Ein deutscher Mitarbeiter der Welthungerhilfe ist - telefoniert er von Afrika aus überwiegend dienstlich - plötzlich kein Deutscher mehr. Er ist wie alle Ausländer: BND-Freiwild. Doch das ist schon wieder ein anderer Skandal.

Bis zu 20 Prozent der möglichen Datengesamtkapazität darf der BND sich »krallen«. Das ist bisweilen mehr als die real transportierte Menge. Und eine Handelsware unter den Diensten. Wie bislang schon gewohnt, wollte der BND auch Lichtleiterkabel der Telekom abziehen, als die Anfang der 2000er Jahre zur effektiveren Paketvermittlungstechnologie überging. Doch da zögerte die Telekom offenbar. Also formulierte der BND ein konkretes begrenztes Dateninteresse, bekam dafür ein weitreichendes G10-Okay. Man sagte natürlich nicht, dass man da längst mit der US-amerikanischen NSA vertragseinig geworden war. Im problemlosen Einvernehmen, wie der mitverhandelnde Jurist Burbaum deutlich machte.

Doch die Telekom traute dem BND und seinen Partnern wohl nicht über den Weg. Nicht nur, dass man beim Auffliegen der Zusammenarbeit herbe Reaktionen der Kunden befürchtete. Die Telekom hätte auch ihre gesamten Netzdaten auf einem Tablett serviert. Clevere Typen können damit einen totalen Blackout des Datentransports - Telefon, Internet, Fax und mehr - herbeiführen.

Die Providerchefs wollten wohl nicht einsehen, dass man - nur weil man so einen G10-Schein für eine Operation besitzt - den gesamten Riesenrest aller Daten abzocken kann. Doch genau um diesen sogenannten Routineverkehr ging es dem Partner NSA. Die Telekom verlangte eine Garantie der Regierung, gab sich nicht mit einer - wie Insider sagen - »Riesterlösung« zufrieden. Also machte sich das Kanzleramt stark, schrieb einen Brief. Was folgte, kennt man aus Snowden-Dokumenten.

Zurück zu den im Ausschuss nicht genannten Namen mit SPD-Bezug: Außenminister Frank-Walter Steinmeier war damals Kanzleramtschef, Ernst Uhrlau sein Abteilungsleiter 6 für Geheimdienste, später BND-Präsident. Den Job machte in jenen Jahren August Hanning, der später Bundesinnenstaatssekretär wurde. Die Herren können sicherlich Wichtiges beisteuern zur Aufklärung - auch ihrer eigenen krummen Dinger.

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