nd-aktuell.de / 01.12.2014 / Politik / Seite 5

Diszipliniert für Rojava

Kurdische und türkische Organisationen sowie die hessische Linkspartei wollen das PKK-Verbot kippen

Hans-Gerd Öfinger
Der Krieg des »Islamischen Staat« gegen die Kurden in Syrien trieb in Frankfurt am Main rund 2000 Menschen auf die Straße.

Es ist noch nicht lang her, dass der Kampf zwischen Kurden und der Terrormiliz »Islamischer Staat« um die syrisch-kurdische Stadt Kobanê rund um die Uhr durch die Nachrichten ging. Schließlich galt es, einmal mehr ein Tabu zu brechen: gezielte und offene Waffenlieferungen an Bürgerkriegsparteien. Doch seither ist es verdächtig still geworden um die anhaltenden Kämpfe an der syrisch-türkischen Grenze.

So in etwa lautete der Tenor einer überregionalen Demonstration zu Kobanê und zur Kurdenfrage, zu der linke kurdische, türkische und deutsche Solidaritätsnetzwerke, aber auch der Landesverband und die Landtagsfraktion der hessischen Linkspartei am Samstag nach Frankfurt am Main mobilisiert hatten: »In den deutschen Medien gibt es inzwischen deutlich weniger Berichte über die Solidarität mit Kobanê«, sagte eine Rednerin, dabei sei die Bedrohung so akut wie eh und je: »Auch der sogenannten Anti-IS-Koalition geht es nie um Verteidigung des selbstverwalteten, revolutionären Projekts in Rojava, sondern um Kontrolle der Ölreserven und um Waffengeschäfte. Und die Türkei unterstützt den IS auf allen Ebenen«, sagte die Rednerin. Von der Veranstaltung müsse daher auch ein politisches Signal gegen »Medienpropaganda« ausgehen, die »Kurden mit PKK und Terroristen gleichsetzt«.

Tatsächlich ging es vielen Kundgebungsteilnehmern auch um die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK. Die Bundesregierung wolle »die Organisierung kurdischer fortschrittlicher Menschen verhindern«, hieß es beim Organisationskomitee. »Das Verbot hat keine Legitimation. Schluss mit der Kriminalisierung«, stand auf Pappschildern.

Im Fahrwasser der kurzlebigen Kobanê-Solidarität des bundesdeutschen Mainstreams war - auch jenseits linker Gruppierungen - eine Aufhebung des PKK-Verbots diskutiert worden. Dass dies nun wieder Geschichte ist, symbolisierte während der Kundgebung ein ungewohnt starkes Polizeiaufgebot. Zahlreiche Polizeikameras waren auf der Suche nach Demonstranten, die womöglich Embleme vermeintlich verbotener Organisationen mit sich trugen. »Lasst Euch nicht provozieren und bleibt zusammen«, rief die Demonstrationsleitung immer wieder den Teilnehmern zu. Berichte über Personenkontrollen einzelner Teilnehmer machten die Runde. Ähnliche Klagen über eine gezielte Kriminalisierung hatten in den letzten Wochen schon Teilnehmer von Kobanê-Solidaritätsveranstaltungen in Göttingen, Mainz, Wiesbaden und anderen Städten geäußert.

Vor der Kundgebung hatten die Behörden und einzelne Medien Ängste vor Ausschreitungen gestreut. Dazu kam es allerdings nicht im Ansatz: Die etwa 2000 Demonstranten blieben so diszipliniert und besonnen wie in den Wochen zuvor.

Dass die Verfolgung kurdischer Politiker und Aktivisten in der Türkei tiefe Wunden geschlagen hat, machte Ibrahim Diler deutlich. Er war zusammen mit seiner jüngsten Tochter Sehriban aus dem Rheingau zur Demo nach Frankfurt gekommen. Lange Jahre hatte Diler seit 1973 als Bürgermeister in dem kurdischen Dorf Haciömer bei Erzurum fungiert und dabei den Hunger im Dorf bekämpft und Waisenkinder aufgenommen. Zunehmend als »PKK-Sympathisant« verfolgt und bedroht, flüchtete Diler 1994 nach Deutschland. Erst 20 Jahre später konnte er mit einem deutschen Pass wieder in die alte Heimat reisen und Angehörige treffen. »Die PKK ist keine terroristische Organisation, sondern eine politische Partei«, so Diler gegenüber »nd«. Daher sei die Aufhebung des Verbots in der Türkei und in ganz Europa und die Durchsetzung von Menschenrechten das Gebot der Stunde.

Bei der Abschlusskundgebung kündigte die Bundestagsabgeordnete Sabine Leidig (LINKE) für die kommenden Wochen einen Vorstoß ihrer Fraktion zur Aufhebung des PKK-Verbots an. Angesichts der Solidaritätsbewegung und Sympathie für den Kampf um Kobanê gehe es darum, die »Gunst der Stunde zu nutzen« und diese längst überfällige Forderung umzusetzen.