Gras aus der Apotheke anstatt Görlitzer Drogenmarkt

Die Berliner Jusos sind gegen die Herabsetzung der Menge des erlaubten Cannabis-Besitzes und gegen die Einrichtung von Sonderzonen

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»Cannabis legal in den Apotheken anbieten«, für diesen Vorschlag machen sich derzeit auch die Berliner Jusos stark. Anlass sind die kürzlich vom Senat verkündeten »Maßnahmen zur Bekämpfung des Drogenhandels im Görlitzer Park« und die für dort angekündigte Prüfung einer »Schwerpunktzone«, in der auch Cannabis-Besitz unterhalb der derzeitigen Freimenge von 15 Gramm strafverfolgt wird. Mit Kevin Kühnert, dem Landesvorsitzenden der Berliner Jusos, sprach Kerstin Ewald.

Der Senat will mit einer Taskforce den Drogenhandel im Görlitzer Park bekämpfen. Dafür will er zum Beispiel die Einrichtung einer räumlich begrenzten Schwerpunktzone prüfen, in der auch Cannabisbesitz unterhalb der derzeitigen Freimenge von 15 Gramm strafverfolgt werden soll. Was halten Sie von diesem Vorstoß?
Ich habe große Aversionen gegen jede Form von »Sonderzonen«. Wir kennen das aus Hamburg mit den Gefahrengebieten, die dort eingerichtet wurden. Ich finde, es ist ein innenpolitisch gefährlicher Weg, bestimmte Räume zu definieren, in denen andere Regeln gelten als überall sonst. Das hat mit Gleichberechtigung nichts mehr zu tun. Die Herabsenkung der Freimengengrenze ist von der CDU schon in die Koalitionsverhandlungen eingebracht worden. Die SPD hatte das deutlich abgelehnt. Eine Freimengengrenze beseitigt ja nicht das Problem. Den Handel wird es weiterhin geben sowie den Konsum. Nur, dass noch mehr Leute schon beim Besitz kleinerer Mengen in die Illegalität getrieben werden. Junge wie auch ältere Menschen, die einfach nur kiffen wollen, werden durch diese bornierte Politik der CDU häufig in das Umfeld des harten Drogenkonsums gestellt.

Wie schätzen Sie denn die Problemlage im Görlitzer Park ein?
Der Zustand im Park ist wirklich so nicht haltbar. Ich finde, man muss ernst nehmen, wenn Leute sagen, sie meiden diesen Ort, weil sie sich dort nicht wohl oder unsicher fühlen. Und natürlich sehen wir - das braucht man auch nicht zu verschweigen - an dem Beispiel des Görlitzer Parks, dass dort auch mitunter sehr obskure Gruppen an diesem Handel beteiligt sind. Ansonsten käme nicht gestreckte Ware zustande, die immer wieder festgestellt wird. Das Gras wird zum Teil für den Schwarzmarkt mit Haarspray und Sand gestreckt. Die Gewinne stärken vor allem kriminelle Vereinigungen. Es gibt auch immer wieder Berichte darüber, dass dort Leute zum Handel gezwungen werden beziehungsweise sich in starken Abhängigkeitsverhältnissen befinden. Die Frage ist aber, ob man daraus einen zum Teil rassistisch aufgeladenen Skandal machen musste, wie gerade geschehen - und zwar mitverschuldet durch die CDU.

Welche Maßnahmen müssten Ihrer Meinung nach getroffen werden?
Die CDU geht davon aus, dass es ein Zusammenleben in Berlin geben kann, in der kein Cannabis konsumiert wird und dementsprechend auch keins mehr verkauft wird. Das geht - mit Verlaub - an der Lebensrealität vieler Menschen vorbei. Cannabis wird in unserer Generation genauso als Rauschmittel gesehen wie Alkohol. Es ist überall erhältlich und der Konsum ist unter Gleichaltrigen vollkommen akzeptiert. Menschen kaufen deshalb Cannabis in Parks, weil sie keine andere Möglichkeit haben und auf den Schwarzmarkt angewiesen sind. Unser Ansatz ist: Würde man Leute nicht zu einem illegalen Handel zwingen, hätten wir diese Problematik im Görlitzer Park nicht. Deswegen unterstützen wir den Vorschlag von Thomas Isenberg, dem gesundheitspolitischen Sprecher der Berliner SPD-Fraktion, den offiziellen Vertrieb von Cannabis in Apotheken zu ermöglichen.

Wie sieht es mit Präventionsmaßnahmen aus?
Was wir wirklich brauchen, sind kostenlose Qualitätschecks von Substanzen auf deren Inhaltsstoffe und Reinheitsgrade. Außerdem müssen Jugendliche ausreichend aufgeklärt werden über mögliche Folgen des Cannabiskonsums. Nur so kann das Bewusstsein für mögliche Nebenwirkungen gestärkt werden.

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