Eine Stadt in den Sand gesetzt

Kommission nennt die Schuldigen am österreichischen Hypo-Alpe-Adria-Desaster

  • Hannes Hofbauer, Wien
  • Lesedauer: 3 Min.
Nicht nur der verstorbene Landeshauptmann Haider, sondern auch Politiker im Bund bescherten Kärnten mit dem Hypo-Finanzskandal ein Negativerbe von 20 Milliarden Euro.

Es ist der größte Finanzskandal in der Zweiten Republik. Seit der Verstaatlichung der bankrotten Hypo-Alpe-Adria im Jahr 2009 ducken sich die Verantwortlichen weg. Eine zur Aufklärung der Missstände eingesetzte Kommission deckt nun schonungslos die Versäumnisse auf. Erste Stimmen, die verantwortlichen Politiker auf Schadenersatz zu verklagen, werden laut.

Als der mittlerweile aus dem Amt geschiedene Finanzminister Michael Spindelegger (ÖVP) im Frühjahr 2014 die pensionierte Richterin Irmgard Griss an die Spitze einer Untersuchungskommission setzte, um der Verantwortung für das Hypo-Debakel nachzuspüren, vermuteten die Oppositionsparteien einen Trick zur Beruhigung der erhitzten Gemüter. Die frühere Präsidentin des Obersten Gerichtshofes strafte diesen Verdacht Lügen.

Der 344 Seiten dicke Bericht hat es in sich. Im ORF-Interview ließ Griss keine Zweifel daran, wer alles versagt habe. Der verstorbene Landeshauptmann Jörg Haider fuhr den Karren in den Dreck und hinterließ dem Land Kärnten eine Haftung in der Höhe von 20 Milliarden Euro.

Doch damit sei der Skandal laut Griss keineswegs ausreichend erklärt. Denn die »Notverstaatlichung«, die 2009 der Republik Österreich sämtliche Schulden aufgehalst hat, war keineswegs so alternativlos, wie von ÖVP, SPÖ und Nationalbank dargestellt.

»Offenbar hat man sich nichts überlegt«, wirft die resolute Leiterin der Kommission dem Finanzministerium und der Nationalbank schwere Versäumnisse vor. Nirgendwo in den Akten oder bei den Gesprächen stieß Griss auf ein Strategiepapier oder ähnliches. Die Drohung der Bayrischen Landesbank, die kurz zuvor Mehrheitseigentümerin der Hypo-Alpe-Adria geworden war, die Bank in den Konkurs zu schicken, war offenkundig ein Bluff, weil sich damit die Bayern selbst ein Milliardengrab geschaufelt hätten.

Zwei mittlerweile verbrauchte Finanzminister - Josef Pröll (ÖVP), der die Verstaatlichung in Windeseile durchgezogen hat, und seine Nachfolgerin Maria Fekter (ÖVP) - sowie der Nationalbankchef Ewald Nowotny (SPÖ) sind federführend daran beteiligt gewesen, die fehlenden Milliarden der Hypo-Alpe-Adria ins österreichische Budget zu schreiben. Der Verdacht, sie hätten das wider besseres Wissen getan, schwebt im Raum. Verfassungsrechtler gehen dennoch davon aus, dass eine Strafanzeige gegen die politisch Verantwortlichen wenig Aussicht auf Erfolg hat; eine Zivilklage, eingebracht von der Republik als Geschädigte, wäre da schon chancenreicher.

Österreich und Bayern streiten bereits auf juristischer Ebene gegeneinander. München will gerichtlich erwirkten, dass der Einstieg bei der Hypo aus dem Jahr 2007 rückgängig gemacht wird. Wien wiederum überlegt gerade die Möglichkeit, den Kaufvertrag, mit dem Österreich vor der Verstaatlichung 2009 die BayernLB entlastet hat, rückabzuwickeln. Ein früherer Direktor der Bank sitzt rechtskräftig verurteilt hinter Gittern.

Am Wiener Karlsplatz war bis vor kurzem die Installation »Hypotopia« von Studenten der Technischen Universität zu sehen, die das Modell einer Stadt für 110 000 Menschen gebaut haben. Die Kosten dafür würden 20 Milliarden Euro betragen.

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