Fataler Drang zur Selbstzerstörung

Seit 20 Jahren gehört die Völklinger Hütte zum Welterbe - aufpoliert wird sie dennoch nicht

  • Jörg Fischer, Völklingen
  • Lesedauer: 2 Min.
Nach ihrer Stilllegung im Jahr 1986 sollte die Völklinger Hütte im Saarland eigentlich entsorgt werden. Heute gehört sie zum UNESCO-Weltkulturerbe - doch die Erhaltung ist kompliziert und teuer.

Auf den ersten Blick präsentiert sich das frühere Eisenwerk Völklinger Hütte als Gewirr aus rostigem Stahl. Doch bei näherer Betrachtung schimmert nicht nur der Rost in den verschiedensten Tönen. Viele der fast unzähligen Stahlrohre, Bleche und Träger sind mit Farbe vor dem Verfall geschützt: Rostbraun, Gelb, Rot, Grau, Grün. Nach 20 Jahren haben die Denkmalschützer nach eigenen Angaben den »Rost im Griff«, doch der Kampf gegen die Korrosion ist eine Daueraufgabe: »Die Hütte hat den Drang zur Selbstzerstörung«, sagt Andreas Timm, Leiter der Denkmalbauabteilung.

Am 17. Dezember 1994 erklärte die UNESCO das weltweit einzig erhaltene Eisenwerk aus der Industrialisierung im Saarland zum Weltkulturerbe. Inzwischen gibt es unter den weltweit mehr als 1000 Welterbestätten, darunter knapp 60 in Deutschland, mehrere derartige Anlagen - etwa den Zollverein in Essen. In Völklingen ist man stolz darauf, dass jetzt rund 75 Prozent der Hütte saniert sind und der Ausbau der Besucherwege mit sieben Kilometern Länge weitgehend abgeschlossen ist. Die Faszination der Anlage sowie Konzerte und Ausstellungen ziehen jährlich rund 300 000 Besucher an. »Aus einer Niederlage, haben wir einen Sieg gemacht«, sagt Generaldirektor Meinrad Maria Grewenig.

Vor 20 Jahren war die 1986 stillgelegte Hütte ein Schrotthaufen. »Wir mussten 30 Jahre Sanierungsstau aufholen«, berichtet Grewenig. Ganze Teile galten als unrettbar, einige Experten fürchteten gar, Gasleitungen könnten reißen und eine Katastrophe auslösen. Heute ist die Anlage sicher und für Besucher risikolos erlebbar.

Der Kampf gegen den Rost bleibt indes eine Daueraufgabe - nur reicht ein regelmäßiger Neuanstrich nicht. Jedes Teil muss individuell behandelt werden, damit es so aussieht wie bei der Stilllegung vor 28 Jahren. »Dabei bewegen wir uns zwischen Authentizität und Vollständigkeit«, sagt Timm.

Das alles kostet Geld. Durchschnittlich fünf Millionen Euro stehen dafür im Jahr zur Verfügung. Die Hälfte kommt aus dem Bundeshaushalt, in dem die Völklinger Hütte einen eigenen Haushaltstitel hat. Die andere Hälfte steuern Land und Europäische Union bei. Die Förderperiode endet im kommenden Jahr, derzeit wird über die künftigen Mittel verhandelt.

Grewenig verweist darauf, dass die Restaurierung auch Wertschöpfung generiert: »Rund 90 Cent jedes ausgegebenen Euros gehen an saarländische Firmen«, sagt Grewenig. Rund um die Hütte hätten sich Spezialbetriebe für Stahl- und Betonsanierung angesiedelt. Und die Erfahrung des Völklinger Teams sei inzwischen weltweit gefragt. dpa/nd

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