nd-aktuell.de / 23.12.2014 / Politik / Seite 3

Der »Kaste« steckt die Angst in den Knochen

Das Knebelgesetz der Konservativen hat die Podemos-Basis im Visier / Neue Linkspartei könnte Parlamentswahlen im nächsten Jahr gewinnen

Ralf Streck, San Sebastián
Mit dem neuen »Sicherheitsgesetz« hat Spaniens regierende rechte Volkspartei auch den Wahlkampf gegen die Linkspartei Podemos eröffnet.

Vor gut drei Jahren traten die »Indignados«, die Empörten, als neue Bewegung in Spanien auf und nutzten die Straße, um gegen Demokratiedefizite, massive Korruption und Kürzungen im Sozialbereich zu anzugreifen. Sie besetzten die Plätz und machten den öffentlichen Raum zum Ort, um ihren Unmut zu artikulieren und Alternativen zu diskutieren. Genau da setzt das »Gesetz zur Sicherheit der Bürger« an, das am 11. Dezember verabschiedet wurde. Viele Formen der Mobilisierung der Empörten-Bewegung werden nun über das »Maulkorbgesetz« oder »Knebelgesetz« unter Strafe gestellt.

Das brandmarkt die neue Partei »Podemos« (Wir können es), die aus der Bewegung entstanden ist, genauso wie die »Vereinte Linke« (IU) oder andere Oppositionsparteien. Vor den Kommunalwahlen im kommenden Mai und vor den Parlamentswahlen im Herbst ist es für viele Experten wie Lorena Ruiz-Huerta (siehe Interview) kein Zufall, dass gerade jetzt dieses Gesetz verabschiedet wird, dass den Empörten ein Sprachrohr rauben soll. Sie ruft deshalb alle »anständige Menschen« zum »Ungehorsam gegen dieses Gesetz« auf. Zwar tritt die Empörten-Partei Podemos nicht zu den Kommunalwahlen an, doch mit »Ganemos« (Wir siegen) hat sich auch in vielen Städten auf lokale Ebene für die Empörten eine Wahloption formiert, die dort den beiden großen Parteien die Herrschaft streitig macht.

Zwar werden Podemos oder Ganemos über die Gesetzesreform nicht direkt angegriffen, getroffen werden soll aber deren aktive Basis, die auf den Straßen und in den Stadtteilen aktiv ist, spontan Zwangsräumungen verhindert, gegen sozialen Kahlschlag protestiert oder streikt. Den Aktivisten drohen hohe Geldstrafen, die ohne jede Kontrolle der Justiz von der Polizei verhängt werden dürfen, wenn das Gesetz demnächst auch im Senat abgenickt wird. Wegen der absoluten Mehrheit der konservativen Volkspartei (PP) besteht daran kein Zweifel.

Dann kann praktisch jede oppositionelle Handlung zum Vergehen werden. Mit wachsweichen Formulierungen werden den Sicherheitskräften umfassende Kompetenzen und viel Spielraum eingeräumt. Harte Strafen bis zu 600 000 Euro drohen sogar im Fall der Behinderung von öffentlichen Verkehrsmitteln bei Streiks. Die Polizei darf praktisch dann auch jederzeit Personalien kontrollieren. Wer sich verweigert, dem droht eine Geldstrafe von bis zu 30 000 Euro. Bei einer Anfechtung fallen neben Anwaltskosten hohe Gerichtsgebühren an, welche die Regierung auch gegen den erbitterten Widerstand von vielen Richtern und Staatsanwälten eingeführt hat.

Für Podemos ist klar, wer hier abgeschreckt werden soll. Menschen, die unter massiven Lohneinbußen der vergangenen Jahre leiden oder keinerlei staatliche Hilfe mehr erhalten, können sich Strafen oder zusätzliche Kosten nicht leisten. Den Empörten, die in vielen Medien, die von den großen Parteien kontrolliert werden, kaum auftauchen, soll die Straße genommen werden.

Für den charismatischen Podemos-Generalsekretär Pablos Iglesias wird auch damit deutlich, dass der »Kaste« die Angst in den Knochen steckt, weshalb sie mit »repressiven Gesetzen« antworte. »Sie sind nervös, deshalb wollen sie die Demokratie beschneiden«, fügt er mit Blick darauf an, dass seine Partei nach Umfragen sogar stärkste Kraft im Parlament werden könnte. Der Politikprofessor und Europaparlamentarier ist längst der angesehenste Politiker und seine Formation hat den Sozialdemokraten (PSOE) im linken Spektrum inzwischen klar den Rang abgelaufen. Denen laufen die Wähler weiter in Scharen in Richtung Podemos davon.