Internet verdrängt Kino

Die Streaming-Technik eröffnet den Filmproduktionsfirmen neue Vermarktungsmöglichkeiten

  • John Dyer, Boston
  • Lesedauer: 3 Min.
Der von Sony doch noch veröffentlichte Film »The Interview« ist zum unerwarteten Kassenschlager geworden - im Internet. Öffnet sich für die Filmkonzerne ein neuer Vertriebsweg jenseits der Kinoketten?

Sony hat mit seinem Film »The Interview« bereits während der Weihnachtstage 15 Millionen Dollar verdient. Was für eine Filmfirma nicht ungewöhnlich klingt, ist es in diesem Falle trotzdem. Denn Sony generierte diese Einnahmen im Internet, wo der Film zum Download angeboten wurde. In 331 unabhängigen Kinos, die den Film zeigten, wurden lediglich 2,9 Millionen Dollar mit dem Verkauf von Kinokarten verdient.

Es wird erwartet, dass Sony mit dem Film, in dem es um ein Mordkomplott gegen den nordkoreanischen Machthaber Kim Jong Un geht, trotzdem Geld verlieren wird. Wegen Terrordrohungen war der Start in den Kinos ursprünglich abgesagt worden, bevor sich der Konzern doch zu einer Veröffentlichung entschied. Doch der erstaunliche finanzielle Erfolg im Internet scheint Wege aufzuzeigen, wie Filmfirmen in Zukunft die klassischen Kinosäle umgehen können.

Sony hat sich mit der Veröffentlichung im Internet mehrerer Plattformen bedient, wo der Film angeschaut oder dauerhaft herunter geladen werden konnte. Zwei Millionen Filmfreunde nahmen das Angebot an. »In erster Linie haben wir uns für diesen Weg entschieden, damit viele Personen die Möglichkeit haben, den Film zu sehen«, erklärt Rory Bruer, der für den weltweiten Vertrieb bei Sony zuständig ist. »Und wir sind sehr zufrieden. Viele Kinos sind ausverkauft und online steht der Film in vielen Hitlisten auf dem ersten Platz.«

Die Einnahmen im Internet dürften sich noch erhöhen. Erst seit Sonntag wird »The Interview« auch bei der größten entsprechenden Internetplattform iTunes von Apple angeboten. »Diese Veröffentlichung ist entscheidend«, glaubt Paul Dergarabedian, Analyst des Marktforschungsunternehmens Rentrak.

Bislang gab es zwischen den Hollywoodstudios und den großen Kinoketten eine enge Zusammenarbeit. Auch deswegen haben die Macher der Filmfabrik die Möglichkeit des Streamings - der gleichzeitigen Übertragung und Wiedergabe von Video- und Audiodaten über ein Netzwerk - weitestgehend ignoriert. Doch iTunes oder auch Netflix haben in den vergangenen Jahren bewiesen, dass sie eine gute Alternative darstellen, um das Filmprodukt im Internet an den Mann zu bringen. Nach Angaben des Filmkonzernverbands Motion Picture Association of America ist der Verkauf von Kinokarten zwischen 2004 und 2013 um elf Prozent gesunken. Der Media-Branchenverband Digital Entertainment Group stellte fest, dass der Kauf von digitalen Versionen eines Films oder einer Serie im Internet im vergangenen Jahr um fast 50 Prozent zugenommen hat.

Davon profitiert auch der Film »The Interview«, der in Nordkorea viel Unmut ausgelöst hatte. Nach Anschlagsdrohungen hatten sich die großen Kinoketten entschlossen, den Film nicht zu zeigen. Sony versuchte auch nicht, Druck auf sie auszuüben. Dabei hat die Produktion des Streifens 75 Millionen Dollar gekostet. Weitere 100 Millionen Dollar sollen Berichten zufolge wegen der Terrordrohungen und der Cyberattacken gegen die Systeme des Konzerns investiert worden sein. »Mit diesem Film werden sie bestimmt Geld verlieren«, glaubt Analyst Eric Wold von der Finanzfirma B. Riley & Company.

Trotzdem könnte »The Interview« zum Türöffner für einen neuen Vertriebsweg der Filmkonzerne werden. Die Kombination einer Veröffentlichung im Internet und bei unabhängigen Kinos bietet sich als Alternative zu den großen Kinoketten an. »Es wird sehr spannend sein zu beobachten, wie schnell sich die Branche den neuen Möglichkeiten anpasst«, meint Wold. »Es wären Einnahmen, die nicht mit den Kinoketten geteilt werden müssten, und daher ist das eine interessante Angelegenheit. Vieles könnte sich nun komplett verändern.«

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