nd-aktuell.de / 05.01.2015 / Politik / Seite 6

Sperrbezirk Lübeck

Bei den G7-Vorbereitungen spielen die Interessen der Bürger keine Rolle

Olaf Harning

Viereinhalbtausend Polizisten, eine weiträumig abgeriegelte Altstadt und Straßensperrungen im gesamten Umland: Wenn am 14. und 15. April die Außenminister von sieben der wichtigsten Industrienationen nach Lübeck kommen, um den G7-Gipfel im Juni vorzubereiten, wird das Leben in der Hansestadt weitgehend zum Erliegen kommen. Während einige das als PR-Coup feiern, plant ein Bündnis linker Parteien und Initiativen Proteste.

»Ich bin mir sicher, dass die schöne Altstadt mit der Backsteingotik eine ganz besondere Tagungsatmosphäre schafft, die man für gute Gespräche braucht.« Mit diesen Worten gab Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) im September bekannt, dass er seine Amtskollegen der G7 Mitte April 2015 in die »Kulturhauptstadt des Nordens« lädt. Genau genommen in das noch im Bau befindliche Hansemuseum auf der als UNESCO-Welterbe ausgezeichneten Altstadtinsel.

Lübecks Bürgermeister Bernd Saxe (SPD) empfindet die Ortswahl als »Auszeichnung« und Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) freut sich über »eine weltweite PR, die man nie bezahlen könnte«. Andernorts herrscht Fassungslosigkeit. »Wie im großen Maßstab die Interessen der Menschen bei den G7 kaum eine Rolle spielen«, heißt es in einem Aufruf des Bündnisses Stopp G7 Lübeck, »so auch im Kleinen bei der konkreten Durchführung des Außenministergipfels.« Weder die Lübecker Bürgerschaft noch sonst irgendein demokratisch verfasstes Gremium habe den Beschluss gefasst, die Stadt in eine Hochsicherheitszone zu verwandeln. Die Bewegungsfreiheit der Menschen, insbesondere die der rund 10 000 Altstadtbewohner, sei bei der Planung nicht viel mehr als ein störendes Sicherheitsrisiko gewesen.

Der »Schleswig-Holsteinische Zeitungsverlag« berichtete, dass bis zu 4500 Sicherheitskräfte große Teile der Altstadt abriegeln und die Fahrstrecken der Minister von ihren Unterkünften zum Tagungsort sperren werden. Weil die Unterbringungskapazitäten in Lübeck begrenzt sind, soll die Landespolizei im Umland viele Hotels gebucht haben, auch in den Urlaubsorten Travemünde und Scharbeutz. Außerdem werden wohl mehrere Containerdörfer errichtet, um auch die Einsatzkräfte ortsnah unterzubringen.

Bündnissprecher Christoph Kleine von der Interventionistischen Linken (IL): »Die Menschen sollen sich offenbar freuen, dass hier die Nachfahren der Könige kommen. Wir aber sagen: Ihr repräsentiert uns nicht!« In einer gerechten und friedfertigen Welt hätten Machtblöcke wie die G7 keinen Platz mehr. In diesem Sinne habe sich das Bündnis, dem sich regionale Parteien und Initiativen sowie Gruppen aus Hamburg, Kiel und Malmö angeschlossen hätten, auf eine Großdemonstration am 14. April verständigt. Zudem sind Aktionen in der ganzen Stadt geplant. »Der eine oder andere«, sagt Kleine, »beschäftigt sich wohl auch mit Blockaden.«