Applaus für Angriff auf junge Migranten

Dresdner Polizei ermittelt zu angeblichem Übergriff nach Pegida-Demonstration im Dezember / Rechtsextremismus-Experten eingeschaltet

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 3 Min.
Demonstrationen der islamfeindlichen Initiative Pegida, deren elfte gestern in Dresden stattfand, verunsichern Migranten. Berichte über eine Attacke im Dezember verstärken deren Sorgen.

Zwei Tage vor Heiligabend trafen sich vor der Dresdner Semperoper 17 500 Menschen. Auf Einladung der islamfeindlichen Initiative Pegida sangen sie Weihnachtslieder und lauschten Reden voll zuwanderungsfeindlicher Ausfälle. Auf Pegida-Veranstaltungen herrscht eine zunehmend aggressive Stimmung. Am 22. Dezember scheint sich diese auch in einem handfesten Übergriff entladen zu haben.

Bei dem Vorfall soll eine Gruppe junger Migranten beleidigt und körperlich attackiert worden sein. Der Übergriff ereignete sich vor und in der »Centrum-Galerie« in der Innenstadt. Die Rede ist von rund 50 Angreifern, die vermummt gewesen seien, teils Fanbekleidung von »Dynamo Dresden« getragen hätten und mit Messern, Pfefferspray, Schlagstöcken und Elektroschockern bewaffnet gewesen seien. Unter dem Ruf »Wir sind das Volk« sollen sie etwa 30 jugendliche Migranten gejagt haben - offenbar unter dem Beifall von Passanten. Es habe sich wohl um Rückkehrer von der Kundgebung gehandelt, sagt Danilo Starosta vom Kulturbüro Sachsen. Die Angegriffenen suchten sich im Einkaufszentrum in Sicherheit zu bringen. Einige sollen aber mit Elektroschockern getroffen worden sein.

Zu den besonders brisanten Details des Vorfalls gehört die angebliche Weigerung der Polizei, die Anzeige einer jungen Migrantin entgegen zu nehmen. Die 15-Jährige, die bei dem Angriff verletzt worden sein soll, wollte diesen am Vormittag des 24. Dezember anzeigen; ein Beamter habe aber erklärt, sie habe sich die Verletzungen womöglich selbst zugefügt. Wenn sich dies bewahrheiten sollte, wäre das ein »nicht hinnehmbares Fehlverhalten«, erklärt Valentin Lippmann, parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen im Landtag. Er fordert ein hartes Durchgreifen von Innenminister Markus Ulbig (CDU), »sollten sich diese Vorwürfe weiter erhärten«. Starosta hat wegen des Übergriffs und wegen der möglichen Abweisung des Opfers Anzeige erstattet. Die Opferberatung des Kulturbüros hat Kontakt zu einigen der jungen Migranten. Mit manchen von ihnen hatte der Verein früher bereits an einem Filmprojekt gearbeitet.

Die Dresdner Polizei erklärte bereits am 23. Dezember, es habe eine »Auseinandersetzung zwischen zwei größeren Personengruppen« gegeben. Obwohl die Polizei in der Nähe der Centrum-Galerie an dem Abend starke Präsenz zeigte, sei man erst per Notruf auf den Vorfall aufmerksam gemacht worden. Zunächst habe man weder Beteiligte noch Geschädigte feststellen können. Erst nach einer Suche im weiteren Umfeld sei man auf eine Gruppe von neun Menschen aufmerksam geworden, auf die Beschreibungen von Beteiligten zugetroffen habe. Zunächst seien nur ihre Personalien festgestellt worden. Als später am Abend auf einem Dresdner Bahnhof ein 24-Jähriger mit Stichverletzungen festgestellt wurde und angab, diese bei einer Konfrontation nach seiner Teilnahme an der Pegida-Demo erlitten zu haben, wurden die neun Personen zeitweise jedoch sogar festgenommen.

Gestern teilte die Polizei mit, es liefen Ermittlungen, auch aufgrund von inzwischen vorliegenden Videomitschnitten. Allerdings sei eine Rekonstruktion der Ereignisse »bisher nicht möglich« gewesen. Vorliegende Beschreibungen der Abläufe seien »sehr unterschiedlich und widersprüchlich«. Die Polizei sucht weiter Zeugen und Videos. In die Ermittlungen ist neben der Kriminalpolizei inzwischen aber auch das »Operative Abwehrzentrum« eingeschaltet, das sich speziell mit Rechtsextremismus befasst. Auch im Fall der angeblich nicht aufgenommenen Anzeige gibt es ein förmliches Ermittlungsverfahren.

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