nd-aktuell.de / 07.01.2015 / Politik / Seite 11

Neustart als Hermann-Hesse-Bahn

Hans-Gerd Öfinger
Auch in Baden-Württemberg rückt die Reaktivierung einer Bahnstrecke näher. Zu verdanken ist dies einem rührigen Verein.

In Baden-Württemberg sind die Bemühungen um einen Eisenbahn-Lückenschluss zwischen der westlich von Stuttgart gelegenen alten Reichsstadt Weil der Stadt und der Kreisstadt Calw in einer entscheidenden Phase angelangt. Die Strecke von Stuttgart nach Calw war 1872 als »Württembergische Schwarzwaldbahn« (WSB) eröffnet worden. Während der Abschnitt Stuttgart-Weil der Stadt in den 1930er Jahren elektrifiziert und in den 1970ern Jahre als Teil des S-Bahn-Netzes aufgewertet wurde, erlebten die letzten 23 Kilometer der Trasse seit den 1960er Jahren einen Niedergang. 1983 wurde der Personenverkehr und 1988 der Güterverkehr eingestellt. Es folgte ein jahrzehntelanger Dornröschenschlaf. Weil sie sich damit nicht abfinden wollten, gründeten bahnbegeisterte Bürger schon 1987 den »Verein Württembergische Schwarzwaldbahn«. Dieser propagierte zielstrebig die Wiederinbetriebnahme der Strecke und organisierte bei vielen freiwilligen Arbeitseinsätzen Rodungsarbeiten entlang der unter Denkmalschutz stehenden Trasse. Schließlich fand man bei Lokalpolitikern ein Echo. 1995 übernahm der Landkreis Calw die Trasse für einen symbolischen Preis.

Inzwischen hat der Kreistag grünes Licht für das Projekt gegeben und ihm in Anlehnung an den weltbekannten Schriftsteller und berühmtesten Sohn Calws den publikumswirksamen Titel Hermann Hesse-Bahn gegeben. Weil der Abschnitt nach wie vor als Bahnstrecke gewidmet ist, sind die Hürden für eine Wiederbelebung niedriger als bei einem Neubau. Allerdings sind vor einer Betriebsaufnahme noch umfangreiche Arbeiten zu leisten. So müssen zwei Brücken und ein Tunnel neu gebaut sowie zwei bestehende Tunnel saniert werden. Ob Bedenkenträger und Projektgegner, die im Rahmen des Planfeststellungsverfahren derzeit eindringlich vor Lärmbelästigung, Ausdünnung des Busverkehrs und hohen Kosten warnen, das Projekt rechtlich doch noch zu Fall bringen können, ist fraglich. Denn auch im Autoland Baden-Württemberg weiß man, dass wiederbelebte und optimierte Bahnstrecken von Pendlern, Senioren und Touristen angenommen werden und die lokale Wirtschaft beleben. Zudem sind für den anvisierten Pendelverkehr von und nach Calw keine lauten Dampf- oder Dieselloks, sondern modernste geräuscharme Triebfahrzeuge mit Brennstoffzellenantrieb angedacht.

Die grün-rote Landesregierung hat die Übernahme von 50 Prozent der Kosten für die Trassen-Reaktivierung zugesagt. Dafür muss 2018 der erste planmäßige Zug über die Strecke rollen. Insider gehen davon aus, dass selbst eine mögliche Rückkehr der CDU in die Landesregierung nach der Wahl 2016 nicht das Aus für das Bahnprojekt bedeuten würde.