Die Mühlen sollen trocken bleiben

Politiker und Religionsvertreter warnen vor einer anti-islamischen Instrumentalisierung des Pariser Anschlags

Pegida und andere rechte Gruppierungen versuchen, von den Getöteten in Paris zu profitieren und ernten dafür harsche Kritik.

Das islamfeindliche Dresdner Bündnis Pegida hat nach dem Anschlag in Paris seine für nächsten Montag geplante zwölfte Demonstration zum «Trauermarsch» umgewidmet und die Teilnehmer dazu aufgefordert, Trauerflor zu tragen. Auf Facebook hieß es, die «Islamisten, vor denen Pegida seit nunmehr 12 Wochen warnt», hätten gezeigt, dass sie «eben nicht demokratiefähig sind». Politiker wollten die Bürger aber «das Gegenteil glauben machen». Indirekt wird eingeräumt, das Attentat scheine «Wasser auf unsere Mühlen zu sein». «Pegida will jetzt Trauerflor für die ermordeten Redakteure tragen. Was für Heuchler: gestern hieß es noch: »Lügenpresse - halt die Fresse«, kommentierte unter anderem Thomas Oppermann, Fraktionsvorsitzender der SPD im Bundestag, das Pegida-Ansinnen auf dem Kurznachrichtendienst Twitter.

Sachsens AfD-Landeschefin Frauke Petry, die sich am Tag zuvor mit den Pegida-Organisatoren getroffen hatte, sagte am Donnerstag, es sei »zu vermuten«, dass der Pariser Anschlag »Auswirkungen« auf die Demonstration haben werde, auch wenn offen sei, ob er zum weiteren Anwachsen der Zahl der Teilnehmer führen werde. Vergangenen Montag waren 18 000 Menschen dem Pegida-Aufruf gefolgt. Petry bemühte sich gestern um eine differenzierte Bewertung des Attentats auf das Satiremagazin. Man dürfe eine Religion wie den Islam, »die grundsätzlich eine friedliche ist«, nicht »auf eine Stufe« mit extremistischen Ausprägungen stellen.

Der stellvertretende Bundesvorsitzende der AfD, Alexander Gauland, hatte den Anschlag kurz nach der Tat bereits als Beweis für die Richtigkeit der Anti-Islam-Bewegung Pegida herangezogen. »All diejenigen, die bisher die Sorgen der Menschen vor einer drohenden Gefahr durch Islamismus ignoriert oder verlacht haben, werden durch diese Bluttat Lügen gestraft.« Unter anderem Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) reagierte mit scharfer Kritik auf die Versuche rechter Akteure, Kapital aus dem Attentat zu schlagen: »Die Art und Weise wie Pegida, AfD und NPD versuchen, diesen Anschlag für ihre Zwecke zu instrumentalisieren, ist widerlich«, erklärte er. Muslime dürften nicht unter einen Generalverdacht gestellt werden. Es gebe keinerlei Grund für Islamophobie.

Frauke Petry hingegen suchte am Donnerstag auffällig die Pegida-Organisatoren in Schutz zu nehmen: Sie wollten auf den Demonstrationen »keine volksverhetzenden, rassistischen Inhalte« haben. Allerdings wird von der Pegida-Bühne immer offener nicht nur der Islamismus kritisiert, sondern auch der Islam insgesamt angefeindet. Vorigen Montag zog der Journalist Udo Ulfkotte als Gastredner gegen eine angebliche »Alltags-Islamisierung unseres Landes« vom Leder. Petry wolle Pegida offenkundig »reinwaschen«, sagte Grünen-Fraktionschef Volkmar Zschocke. Das Bündnis »Dresden nazifrei« sieht mit der Umwidmung der Demonstration zum Trauermarsch ein »neues Höchstmaß an Abscheulichkeit und Ekelhaftigkeit« erreicht und ruft zu Protesten auf.

Auch der Vorsitzende der Linkspartei Bernd Riexinger hat davor gewarnt, den Terroranschlag dazu zu missbrauchen, anti-islamische Ängste zu schüren. »Hass hilft uns nicht weiter, weder von der einen noch von der anderen Seite«, sagte Riexinger dem »nd«. Der Anschlag von Paris sei furchtbar und entsetzlich. Die Menschen in Frankreich und Europa müssten nun »in ihrer Trauer zusammenstehen - und in ihrer Verantwortung für ein friedliches Miteinander«.

Der Zentralrat der Muslime befürchtet ebenfalls, dass »der Anschlag neues Wasser auf die Mühlen von Extremisten jeglicher Couleur« sein werde. »Wir rufen alle dazu auf, dem perfiden Plan der Extremisten nicht auf den Leim zu gehen, die die Gesellschaft spalten, Hass und Zwietracht zwischen den Religionen schüren und die überwältigende Mehrheit der friedlichen Gläubigen zu Paria der Gesellschaft machen wollen«, heißt es in einer Erklärung. Es gebe in keiner Religion und keiner Weltanschauung auch nur einen Bruchteil einer Rechtfertigung für solche Taten. »Dies ist ein feindlicher und menschenverachtender Akt gegen unsere freie Gesellschaft.«

Im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst erklärte der evangelische Landesbischof Ralf Meister aus Hannover, dass Christen und Muslime öffentlich »enger zusammenstehen« müssten. »Jede Form der Verdächtigung oder Unterstellungen müssen zurückgewiesen werden. Gemeinden können Dialog-Veranstaltungen anbieten, wie es sie vielfach schon gibt, oder demonstrativ die Moschee vor Ort besuchen. Auch ein gemeinsames Essen im Gemeindehaus kann ein Zeichen setzen.«

Neben der Debatte um die Auswirkungen auf das gesellschaftliche Klima in der Bundesrepublik, kündigte sich am Tag nach dem Anschlag auch die Wiederbelebung der Auseinandersetzung um sicherheitspolitische Verschärfungen an. Am Rande der CSU-Klausur in Wildbad Kreuth forderten Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt und Innenpolitiker Hans-Peter Uhl unter anderem die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung. Und Bayerns Justizminister Winfried Bausback (CSU) forderte gegenüber der »Passauer Neuen Presse« die sogenannte Sympathiewerbung wieder unter Strafe zu stellen: »Wenn Menschen auf unseren Straßen und Plätzen für Terrororganisation Fahnen schwenken, trommeln und werben, muss das Strafrecht dem entschlossen entgegentreten.« Bayern habe die Wiedereinführung bereits im Bundesrat beantragt. Bislang habe man aber keine Mehrheit dafür bekommen.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal