Pegida hat Gemeinnützigkeit beantragt

Bericht: Organisatoren der Aufmärsche haben Verein gegründet / Bericht: Pegida-Organisatoren mit rassistischen Parolen und Hitler-Zitaten / Linkenpolitikerin Pau warnt: Menschenfeindlichkeit und Akzeptanz von Gewalt nehmen zu / Merkel kritisiert Pegida in

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Berlin. Laut »Frankfurter Rundschau« bauen die Veranstalter der rechten Pegida-Aufmärsche ihre Gruppe zu einer festen Organisation mit eigenen Einnahmen aus. Sie hätten beim Finanzamt die steuerliche Anerkennung der Gemeinnützigkeit beantragt, hieß es. »Pegida, die bereits jetzt auf ihrer Facebook-Seite um Spenden wirbt, kann dann mit massivem Geldzufluss von ihren Sympathisanten rechnen. Und der Staat würde diese Unterstützung indirekt fördern. Pegida steht somit vor einem weiteren wichtigen Schritt von der spontanen Kundgebungsgruppe zur institutionalisierten Organisation«, schreibt das Blatt.

Das zuständige Registergericht habe auf Anfrage der Zeitung erklärt, dass die »formalen Mindestinhalte« zur Vereinsgründung durch die Satzung des Pegida e.V. erfüllt seien. In den Gründungsunterlagen stehen dem Bericht zufolge als Vereinsvorsitzender der Dresdner Lutz Bachmann, als zweiter Vorsitzender der ebenfalls in Dresden wohnende René Jahn und als Kassenwart Kathrin Oertel aus der sächsischen Kleinstadt Coswig, die auch als Pegida-Pressesprecherin auftritt.

Die nach rechts offene Bewegung Pegida, deren Organisatoren laut einem »Spiegel«-Bericht von Anfang aus ihren rassistischen Ansichten keinen Hehl machten, hatte zuletzt 18.000 Anhänger auf die Straße gebracht. Seit Mitte Oktober demonstrieren die selbst ernannten Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes (Pegida) gegen eine angebliche Überfremdung und für eine Verschärfung des Asylrechts.

Nach Angaben des »Spiegel« haben die Organisatoren der rechten Pegida-Bewegung »von Beginn an rassistische Parolen und Hitler-Zitate eingesetzt, um Anhänger zu mobilisieren«, wie das Magazin vorab unter Berufung auf eine geschlossene Facebook-Gruppe von Pegida meldet, in die es Einblick nehmen konnte. Darin habe einer aus dem zehnköpfigen Organisationsteam von Pegida Muslime als »mohammedanische Kamelwämser« oder »Schluchtenscheißer« beschimpft. Über die Kurden, die sich dem Terror des »Islamischen Staates« widersetzen, schrieb er auf Facebook: »Sie sind genauso eine große Gefahr für das zivilisierte Europa / Deutschland wie alle anderen Strömungen innerhalb der Mohammedaner.« Der Mann soll zuvor Mitglied der FDP gewesen sein und in Meißen sogar dem Vorstand der Liberalen angehört haben.

Ein weiteres Mitglied aus dem Pegida-Organisationsteam habe bereits im Sommer 2013 auf Facebook gegen Asylbewerber gehetzt, so der »Spiegel«. Er schrieb dort unter anderem: »Was wollen wir mit dem zu 90 % ungebildeten Pack was hier nur Hartz 4 kassiert und unseren Sozialstaat ausblutet.« Nach Berichten über eine Messerstecherei an einem Badesee mutmaßte er: »Bestimmt wieder ein in seiner Entwicklung gestörter oder halbverhungerter Ramadan Türke.« Der Mann sei Stadtrat der CDU in Meißen gewesen, bis ihn seine Partei dazu drängte, dieses Mandat niederzulegen. Ursprünglich habe die Bewegung offenbar auch »Friedliche Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes« heißen sollen, das war einem der Pegida-Organisatoren aber »viel zu nett und gutmenschenfraktionskompatibel. Haben wir das nötig?? Warum muss unbedingt friedliebend rein? Europäer? Ich bin deutscher... NATIONAL ist das Wort«, zitiert der »Spiegel« aus der internen Facebook-Gruppe. Für eine solche braucht man eine Einladung, die Äußerungen dort sind nicht jedem im Internet zugänglich, sondern nur Mitgliedern der Gruppe.

Die Linkenabgeordnete und Vizepräsidentin des Bundestags, Petra Pau, sagte, »richtig ist, bekannte Nazis nutzen die Pegida-Bewegung als Sprachrohr und als Sammelbecken. Aber das erklärt nicht alles«. Sie wolle »nicht pauschal wegwischen«, dass unter den Mitläufern auch verunsicherte Bürger seien - »obwohl ich zu etlichen dieser verunsicherten Bürger eine klare Meinung habe. Aber nehmen wir mal an, da ist was dran. Dann stellt sich doch die Frage, was verunsichert sie so tief, dass sie ihre Wut gegen alles richten, gegen Andersseiende und Andersglaubende, gegen die Politik, gegen die Medien, gegen alles.«

Pau verwies zur Antwort auf die Studien des Bielefelder Soziologen Wilhelm Heitmeyer über die gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. Diese nehme »inmitten der Gesellschaft« zu, »ebenso die Akzeptanz von Gewalt«, so Pau. Sie verwies auf jene Punkte, die als Hauptursachen dafür benannt worden seien: »Das Soziale wird ökonomisiert, die Demokratie wird entleert. Das war natürlich eine grundlegende Kritik an der Politik der letzten 15, 20 Jahre, egal, welche Regierung das Sagen hatte oder hat.« Dagegen würden »fromme Appelle« allein nichts ausrichten können. »Gefragt ist ein grundlegender Politikwechsel. So wichtig ein Aufstand der Anständigen ist, mehr Anstand der Zuständigen ist überfällig«, so Pau.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat derweil indirekt die Pegida-Bewegung kritisiert. »Wo Hass und Vorurteile zu Hause sind, da werden wir auch keine guten Lösungen für uns alle finden«, sagte Merkel in ihrem am Samstag veröffentlichten Video-Podcast. »Deshalb ist es wichtig, dass jeder sich zu den Grundwerten unseres Landes bekennt, und dazu gehört zum Beispiel auch das Recht auf Asyl für verfolgte Menschen«. Deutschland könne sich nicht gegenüber Konflikten abschotten, »die in unserer Nachbarschaft oder gar nicht so weit weg stattfinden«, fügte Merkel mit Blick auf den Bürgerkrieg in Syrien und den IS-Terror hinzu. Die Kanzlerin erwähnte nicht explizit die Pegida-Bewegung. Im Kontext des Interviews wird aber klar, das sie sich darauf bezieht. In ihrer Neujahrsansprache hatte Merkel dazu aufgerufen, sich den Demonstrationen nicht anzuschließen - ebenfalls ohne die selbsternannten »Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes« (Pegida) ausdrücklich zu nennen. Die Organisatoren hätten oft »Kälte, ja sogar Hass« in ihren Herzen, sagte Merkel. nd/Agenturen

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