nd-aktuell.de / 13.01.2015 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 9

Ein überschaubares Risiko

Deutsche Banken haben kaum noch Griechenland-Kredite in ihren Büchern

Hermannus Pfeiffer
Mit 322 Milliarden Euro steht Griechenland derzeit gegenüber dem Ausland in der Kreide. Auf private deutsche Kreditinstitute entfallen dabei nur 4,6 Milliarden Euro.

Es geht derzeit ein Gespenst in der deutschen Medienlandschaft um: das Gespenst eines zweiten Schuldenschnitts für das Krisenland Griechenland. Dabei schlägt der kurz vor dem Wahlsieg stehende Vorsitzende der griechischen Linkspartei SYRIZA, Alexis Tsipras, bereits nüchterne Töne an. Zwar müsse »der größte Teil des nominalen Werts der öffentlichen Schulden Griechenlands abgeschrieben werden« - aber im Rahmen einer nachhaltigen europäischen Lösung, sagte er der »Huffington Post«. Tsipras fordert die Ankoppelung an eine Wachstumsklausel, »auf deren Basis die verbleibenden Schulden sinnvoll getilgt werden«. Nur wenn Griechenlands Wirtschaft wachse, solle es seine verbliebenen Schulden bedienen müssen.

Viele Medien in Deutschland setzen im Unterschied zu anderen EU-Ländern auf eine Angstkampagne. Doch wie erpressbar ist Deutschland wirklich, wie abhängig sind seine Banken von Griechenland-Krediten? »Nicht mehr sehr stark«, beruhigt Jens Boysen-Hogrefe, Finanzmarktexperte des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) gegenüber dem »neuen deutschland«. Zu Beginn der Krise sei »die Erpressbarkeit deutlich höher« gewesen.

Über die Rettungsprogramme wurde seit 2010, als Hellas die Staatsinsolvenz drohte, ein Großteil der alten Kredite ausgelöst. »Restbestände, wenngleich es noch um Milliarden geht, liegen in einem Bereich, dass weder der deutsche Staat ernstlich getroffen, noch die privaten Häuser so geschwächt würden, dass da eine Gefahr auftreten könnte.«

Athen ist mit 322 Milliarden Euro vor allem gegenüber der EU verschuldet. Etwa ein Sechstel der Staatsschulden wird von griechischen Banken und Hedgefonds getragen. Inzwischen liegen vier Fünftel der Schulden, 260 Milliarden Euro, bei öffentlichen Institutionen. Der deutsche direkte und indirekte Anteil beträgt fast 60 Milliarden Euro.

Für Deutschlands Banken bleibt ein »überschaubares Risiko«, meint auch Folker Hellmeyer, Chefanalyst der Bremer Landesbank. Deutsche Kreditinstitute waren in Griechenland laut Bundesverband deutscher Banken (BdB) im September mit insgesamt circa 23,5 Milliarden Euro engagiert. Davon entfallen »nur« rund 4,6 Milliarden auf Banken und 3,6 Milliarden auf Unternehmen wie Versicherungen und auf Privatpersonen. Den größten Teil der Bankforderungen hält die staatliche Förderbank KfW mit rund 15 Milliarden. Eine Sprecherin in Frankfurt versichert gegenüber dem »neuen deutschland«, dass die Griechenland-Kredite lediglich »im Auftrag des Bundes ausgezahlt wurden«. Für diese bürge der Bund in voller Höhe. Eigene Darlehen habe die KfW dagegen nicht in ihren Büchern.

Auch der Privatbankenverband BdB gibt angesichts solcher Zahlen Entwarnung: »Die Kreditengagements deutscher Banken in Griechenland sind gering.« Selbst wenn es nicht bei einem Schuldenschnitt oder -aufschub bliebe, sondern es zu einer Zahlungsunfähigkeit Griechenlands käme, »wären die unmittelbaren Effekte für die deutschen Banken daher verkraftbar«, schreibt Hauptgeschäftsführer Michael Kemmer auf der BdB-Internetseite.

Der Wirtschaftsexperte Rudolf Hickel sieht darin »auch einen Erfolg der Rettungspolitik«. Er erinnert an den Schuldenschnitt im Jahr 2012. Damals wurden Griechenland Schulden im Wert von 107 Milliarden »maßgeblich« von privaten Gläubigern erlassen. Erst wenn seither ein Kredit auslief, wurde er von EU-Rettungsfonds, Europäischer Zentralbank oder Internationalem Währungsfonds fortgesetzt. Da die politischen Auflagen gleichzeitig Griechenlands Wirtschaft lähmten, reichten die Finanzmaßnahmen jedoch nicht, und letztlich habe eine Umschuldung von Privat auf den Staat stattgefunden. Dies sehen die KfW-Banker ebenso: »Es fand eine Verlagerung vom privaten auf den öffentlichen Sektor statt.«

Ökonom Hickel kann dem etwas Gutes abgewinnen. Dadurch sei eine Lösung der Schuldenproblematik »viel einfacher« geworden. Hickel unterstützt den Vorschlag Tsipras, ein Schuldenabkommen wie 1953 in London abzuschließen. Damals erließen 70 Staaten der zahlungsunfähigen Bundesrepublik den überwiegenden Teil ihrer Vorkriegsschulden. Zudem müsse ein Aufbauprogramm für Hellas her.